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Die Zeitbestie

Titel: Die Zeitbestie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asher Neal
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zu urinieren. Als er zurückkehrte, stellte er fest, dass die Regung der Übelkeit unter einem Sturmangriff des wachsenden Hungers schwand. Wenig später stopfte er sich fettigen Schweinebraten in den Mund.
    »Wohin bringen Sie mich?«, fragte er schließlich, während er sich die Hände im Schnee wusch.
    Der Reisende starrte ihn durch den Dampf an, der aus seinem Kaffeebecher aufstieg – die Augen jetzt ganz dämonisch. »Falls man die Zeit als Straße betrachtet, dann gegenwärtig in die falsche Richtung. Wir brauchen dich in Neulondon, wo wir über die Technik verfügen, die das Überleben deines heranwachsenden Torus gewährleistet. Aber dieses Ding in deinem Handgelenk erweckt die Aufmerksamkeit von Cowls besonders scheußlichem Haustier und ist, in unserer Zeit unweit Ihrer … Geburtszeit sehr aktiv.« Der Reisende legte eine Pause ein, und sein Gesicht wirkte schmerzlich. »Ich finde Ihre Sprache ganz besonders ungeeignet für jede vernünftige Diskussion über Zeitreise.«
    »Wie planen Sie letztlich in dieses Neulondon, zurückzukehren?«, fragte Tack, dem klar war, dass er sich hartnäckig an eine einzelne Denklinie klammern musste, denn jede Antwort des Reisenden warf einen neuen Satz Fragen auf.
    »Wir haben im Mesozoikum einen Außenposten, den wir Sauros nennen, und wir haben zwischen ihm und Neulondon ein subtemporales Wurmloch installiert – einen Zeittunnel.«
    Tack trank von seinem Kaffee und überlegte. »Mesozoikum?«
    Der Reisende grinste ihn über seinen Kaffee hinweg an. »Denk an Dinosaurier«, sagte er. »Wir müssen jedoch noch etliche Etappen zurücklegen, um dort anzukommen. Ich war schon vor der gestrigen Etappe müde, sodass ich nur die Energie für eine begrenzte Symbiose mit dem Mantisal aufbrachte. Demzufolge haben wir lediglich etwa eine Million Jahre geschafft. Der nächste Sprung müsste uns mindestens fünfzehn Millionen Jahre weit zurückführen.«
    Tack spürte, wie ihm der Mund trocken wurde, und auf einmal war ihm trotz des heißen Kaffees kalt. Mit einer Hand, die jedoch nur ein klein wenig zitterte, stellte er den Becher auf die Erde, packte die Thermodecke und wickelte sie sich um die Schultern.
    »Und hier haben wir es auf der ganzen Strecke am kältesten«, ergänzte der Reisende. »Von jetzt an wird es heißer – in mehr als nur dem Wortsinn.«
    Tack wartete auf die Pointe.
    Der Reisende deutete auf die Umgebung. »Hier haben wir es ungefähr so ruhig wie nur möglich. Zwischen uns und Sauros hingegen liegen achtzig Millionen Jahre Appetit.« Der Reisende stand auf und zeigte bedeutungsvoll auf den Rucksack. Tack trank seinen Kaffee aus, klappte den Becher zusammen und steckte ihn in ein Fach an der Kaffeekanne. Diese wanderte mitsamt den Thermodecken in den Rucksack, den Tack daraufhin schulterte. Als sie aus dem Wald hervortraten, sah Tack trockenes Gras an den Stellen, wo der Schnee geschmolzen war. Weit rechts sah er eine riesige elefantenartige Gestalt starr wie Stein dastehen, ehe sie sich wieder unter die Bäume wandte.
    »Ein Mammut«, flüsterte er.
    »Eigentlich ein Mastodon«, korrigierte ihn der Reisende. »Mammuts bewegen sich gewöhnlich in Familiengruppen.« Er brach ab und betrachtete die Stelle, wo die Kreatur verschwunden war. »Obwohl es natürlich die Männchen gibt, die als Einzelgänger unterwegs sind.« Damit ging er los und folgte rasch den Spuren, die sie selbst im Schnee hinterlassen hatten, zurück zu der Stelle, wo sie aus dem Mantisal gestiegen waren. Tack beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten, und hielt dabei ringsum Ausschau nach Bedeutsamem, war er doch überzeugt, dass er diese Zeit – wenn nicht gar diesen Ort – nie wiedersehen würde. Aber er bekam nichts weiter zu sehen als schneebedecktes Grasland und Wald und diese eine rätselhafte Gestalt von gerade eben, da kam auch schon das Mantisal vor ihnen aus der hohlen Luft zum Vorschein und sie stiegen ein.
    Die Albtraumdunkelheit zog sich in die Erinnerung zurück, und es schien Polly, als wäre sie schon eine Ewigkeit in diesem Wald, in dem ihr nichts weiter Gesellschaft leistete als der Gesang von Vögeln und der Wind in den Bäumen. Aber jetzt hörte sie Glöckchen läuten, gemurmelte Gespräche und ab und zu Gelächter. Irgendwo in der Nähe hielten sich Menschen auf. Nach Pollys Vorstellung bedeutete das eine Chance, an etwas zu essen zu gelangen, denn Hunger quälte sie und hatte sie bereits gezwungen, eine Hand voll Eicheln zu kauen und zu schlucken, ehe sie das

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