Die Zeitbestie
hörte erst jetzt das leise Trommeln, das den Wind begleitete.
»Jetzt sieh dir das mal an!«, rief der Mann am Nebentisch – der Mann, der sie auffälligerweise nicht angeglotzt hatte, saß er doch seiner Frau oder Partnerin gegenüber. Ein Schatten legte sich auf sie alle, und Polly öffnete die Augen und sah einen der neuen Ford Macrojets am Himmel vorbeigleiten; die vier Turbinen wiesen eine unheimliche Ähnlichkeit mit Augen auf, die direkt auf die Straße hinabblickten. Das Fahrzeug schwebte eine Zeit lang da oben und fegte schließlich davon, um in Spiralen auf die nur selten benutzte Verbindungsplattform weiter hangaufwärts hinabzustoßen, direkt neben der High Street. Heute schon wurde vorhergesagt, dass sich in zehn Jahren der größte Teil des Verkehrs in die Luft verlagert haben würde. Polly war das egal, hatte sie doch nie genug Geld angehäuft, um sich auch nur einen elektrischen Roller zu leisten.
»Da ist er wieder!«, sagte der Mann zehn Minuten später. »Ganz wie ein Bluebird.«
Polly hatte keine Ahnung, was das heißen sollte, aber als sie dem riesigen Fahrzeug mit dem Blick folgte, wie es von der High Street herankam, war sie trotzdem beeindruckt. Ein solches Verkehrsmittel kündete von einem Reichtum, den sie, da war sie überzeugt, nie selbst haben würde. Als der Wagen an der Kneipe vorfuhr, träumte sie noch davon, Zutritt zu ihm zu erlangen und hoffentlich eine Kostprobe von dem Luxus zu genießen, für den er stand. Als sie jedoch die vier Männer erblickte, die ausstiegen, wäre sie am liebsten weggerannt.
Das waren U-Reg-Bullen. Ganz wie Nandru gesagt hatte: direkt von der Agentur in Brüssel. Sie trugen die grauen Anzüge und blauen EU-Krawatten wie Uniformen, und wozu hätten sie verspiegelte Sonnenbrillen gebraucht, wo doch ihre Augen verspiegelt waren? Einer von ihnen, ein blonder Adonis mit völlig ausdruckslosem Gesicht, blickte auf das Gerät in der eigenen Hand, hielt es einen Augenblick lang hoch, steckte es dann plötzlich in die Tasche und trat an Pollys Tisch. Von der Haarfarbe abgesehen, war der Mann, der dem ersten direkt folgte, von diesem gar nicht zu unterscheiden, ebenso wenig wie die beiden, die neben dem Wagen standen. Illegale Netzseiten bezeichneten solche Typen als Produkt irgendeines seltsamen eugenischen Projekts, das sich um Klonen und Verbessern drehte. Natürlich bezeichneten alle offiziellen Nachrichtenagenturen das als hysterischen Unsinn, aber andererseits mussten sie das auch tun, falls sie im Geschäft bleiben wollten.
Die übrigen Trinker in der Kneipe fanden bereits Gründe, den Standort zu wechseln. Das Paar am Nachbartisch stürzte seine Drinks hinunter und griff eilig nach den Einkäufen. Der Blonde setzte sich Polly gegenüber. Er blinzelte die Verspiegelung aus den Augen und legte ein ruhiges Grau darunter frei. Mit einem Lächeln, das beinahe eine Entschuldigung ausdrückte, griff er in die Jacke und brachte eine kleine hässliche Zielsucherpistole zum Vorschein. Er richtete sie auf Polly, klappte den Minimonitor auf und drückte eine Taste an der Seite der Waffe, ehe er sie auf den Tisch legte. Polly betrachtete die blinkende LED, und sie hatte in genug Interaktiven mitgespielt, um zu wissen, dass die Pistole sie als Ziel erfasst hatte.
Blockierung online. Tech-Com nicht verfügbar, informierte die Muse sie, ohne dass Polly dadurch in irgendeiner Form schlauer gewesen wäre.
Ah, wie ich sehe, sind unsere Freunde eingetroffen, meldete sich Nandru.
Siehst du sie?, fragte Polly.
»Woher haben Sie diese Muse?«, fragte endlich der Gorilla ihr gegenüber.
Polly blickte sich um. Keiner der übrigen Tische draußen war noch besetzt. Die Kellnerin trat ins Freie, duckte sich aber rasch wieder ins Innere, als sie die neuen Gäste entdeckte. In der Kneipe hielten sich nach wie vor Menschen auf, blieben aber ein gutes Stück vom Fenster entfernt und sahen sich die Szene an. Dort war keine Hilfe zu erwarten. Die einzig mögliche Rettung in einer derartigen Lage wäre normalerweise darin zu suchen, dass man einem Eurokraten ein paar Hunderttausend zusteckte, aber selbst dann …
»Ich habe sie von einem Soldaten der Spezialkräfte erhalten, einem gewissen Nandru Jurgens«, antwortete sie.
Der Mann nickte langsam und fragte dann: »Verstehe ich es richtig, dass Sie mit ihm in Verbindung stehen?«
Polly nickte.
»Fragen Sie ihn, wie viel«, verlangte der Mann.
Polly legte den Kopf schief, während sie Nandru zuhörte. Ihr Mund wurde trocken,
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