Die Zeitdetektive 01 Verschworung in der Totenstadt
„Doch wenn jemand Hunger verspürt, hat er dafür immer Verständnis.“
„So sieht er auch aus“, meinte Kim und grinste.
„Hüte deine Zunge!“, warnte Ani sie. „Rechmire kann dich auspeitschen lassen.“
„Schon gut“, sagte Kim rasch. Mit ihren Lästereien hatte sie sich schon öfter Ärger eingehandelt, aber sie konnte es einfach nicht lassen. Doch im alten Ägypten würden die Strafen zweifellos härter ausfallen als im heimischen Siebenthann … Kim nahm sich fest vor, ihre Zunge im Zaum zu halten.
„Kannst du dafür sorgen, dass auch Julian und Leon etwas zu essen bekommen?“, bat sie.
Wieder nickte Ani und gab einem anderen Küchenjungen ein Zeichen.
„Aber zurück zu Kija: Kannst du dir vorstellen, warum jemand versucht hat, die Katze töten?“, fragte Kim kauend.
Ani hob die Schultern hoch. „Vielleicht hat es damit zu tun, dass Kija keine gewöhnliche Katze ist …“
„Wie meinst du das?“, wollte Kim wissen. Es war wirklich ein großer Vorteil, dass Ani den ganzen Palastklatsch kannte und so gern redete.
„Kija ist ein heiliges Tier. Sie stammt aus dem Tempel der Bastet und steckt voller Geheimnisse. Außerdem ist sie unendlich klug“, meinte Ani ehrfurchtsvoll. „Niemand wird aus ihr so richtig schlau – außer Hatschepsut. Man sagt, dass Kija die Herrscherin vor Gefahren warnt. Die Katze gilt als ihre beste Leibwächterin.“
Kim verschlug es den Atem. „Vielleicht hat man deshalb versucht, Kija zu töten!“, entfuhr es ihr.
„Die Gurken, ich brauche die Gurken!“, rief Rechmire. Sein großer, runder Kopf tauchte wie ein roter Mond hinter den Kindern auf. „Wie sieht’s aus?“
„Gleich fertig, Rechmire!“, antwortete Ani schnell und füllte eine der Gurken mit der wohlriechenden Fleischpaste.
Rechmire ging kopfschüttelnd weiter zu einem anderen Arbeitstisch, schlug die Hände zusammen und jammerte: „Wir werden nicht fertig, nein, wir werden niemals fertig. Und ich lande bei den Krokodilen! Amun steh mir bei!“
Als der Küchenvorsteher außer Hörweite war, fuhr Ani fort: „Unsere Herrin hat leider viele Feinde in Theben, seit sie vor kurzem zur Pharaonin gekrönt wurde. Hochrangige Priester, hört man, trachten ihr nach dem Leben. Sie wollen nicht von einer Frau regiert werden. Ihrer Meinung nach gehört Thutmosis III. auf den Thron. Das ist der Sohn von Hatschepsuts verstorbenem Mann, Thutmosis II., und einer seiner Nebenfrauen. Aber Thutmosis III. ist ja noch ein Kind und kann die Regierungsgeschäfte nicht führen!“
„Aber ein Kind kann man viel besser lenken, wenn man seine eigenen Machtinteressen durchsetzen will“, erklärte Kim. „Die selbstbewusste Hatschepsut hingegen lässt sich von den Priestern sicher nichts sagen.“
Kims Gedanken überschlugen sich: ein abgewiesener Vizekönig und machtversessene Priester. Zweifellos gab es im Palast genügend Personen, die es auf das Leben der schönen Königin abgesehen haben könnten. Das musste sie unbedingt Julian und Leon erzählen. Kim legte das Messer beiseite und sah sich um. Gerade kamen ihre Freunde herein, beladen mit Körben voller Äste und Holz.
Erstaunt bemerkte Kim, dass Kija bei ihnen war!
Geschmeidig sprang die Katze auf den Tisch und lief auf Kim zu. Sie nahm Kija in den Arm und streichelte sie. Bei Tageslicht war die Katze noch schöner, fand Kim. Das Mädchen stibitzte ein Stückchen Fisch und fütterte Kija damit.
„Ich glaube, du hast einen leichteren Job als wir“, stöhnte Julian. „Die Körbe werden langsam schwer.“
„Ach was“, widersprach Leon. „Dafür arbeiten wir meistens an der frischen Luft und sitzen nicht hier in der stickigen Küche.“
„Hört mal her!“, sagte Kim, zog die Freunde aufgeregt beiseite und berichtete ihnen, was sie von Ani erfahren hatte.
„Hatschepsut ist anscheinend in großer Gefahr“, vermutete Julian, als Kim fertig war.
„Und Kija ist es auch“, fügte Kim hinzu. Die Katze lag in ihrem Arm, ließ sich den Rücken massieren und schnurrte mit halb geschlossenen Augen. „Also müssen wir gut aufpassen!“
Nubiens Vizekönig Inebny war ein großer, dunkelhäutiger Mann, der ganz offensichtlich schlechte Laune hatte. Das stellte Kim fest, als sie später mit einigen anderen Dienern die verschiedenen vorbereiteten Speisen in einem der Prunksäle auftrug. Julian und Leon mussten weiter in der Küche schuften.
Mürrisch saß Inebny mit einem seiner Diener an seinem Tisch und sprach kein Wort. Im Saal tafelten an die fünfzig Per
sonen. Neben
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