Die Zeitensegler
ja geirrt? Doch jetzt schien es ihm sogar, als könne er noch Reste ihres früheren Namens erkennen: »Berwick«. So hatte sie geheißen, bevor ein riesiges Feuer einen Großteil des Schiffes zerstört hatte und sie 1787 nach Australien aufgebrochen war.
1787! Simon schluckte hart und ließ das Fernrohr sinken. 1787 war die »Sirius« mit zehn weiteren Schiffen nach Australien aufgebrochen. 1788 hatte die Flotte den Kontinent erreicht.
Endlich hatte er Gewissheit – und es schnürte ihm die Kehle zu. Er befand sich im Jahre 1788! Er war so überwältigt von dieser Tatsache, dass ihm ganz schwindlig wurde. Mit beiden Händen griff er nach der Bordwand, um nicht umzufallen.
Jetzt erst fiel ihm der weiße Rauch auf, der von der Steuerbordseite der »HMS Sirius« aufstieg.
Mit einem unguten Gefühl griff Simon sich noch einmal das Fernrohr. Und tatsächlich, es war, wie er befürchtet hatte: Aus einer der Kanonen an Bord des Segelschiffes kamen weiße Schwaden heraus. Sie musste gerade erst benutzt worden sein.
Daher also das Krachen: Die »Sirius« hatte auf den Seelensammler geschossen!
Durch das Fernrohr entdeckte Simon zwei Soldaten, die bereits eine weitere Kanone luden. Nicht mehr lange und sie würden den Seelensammler erneut beschießen.
Simon geriet in Panik.
Er war allein auf diesem Schiff und wusste nicht, was er tun sollte. Sein erster Gedanke war: Zurückschießen!
Aber … er konnte doch nicht auf ein Flaggschiff der britischen Krone schießen. Und vor allem nicht auf die »Sirius« mit ihren 14 Kanonen. Außerdem kannte er sich auf dem Seelensammler noch nicht besonders gut aus: Er wusste ja nicht einmal, ob sich auf diesem Schiff überhaupt Kanonen befanden. Und selbst wenn es welche gab – er würde sie ja vermutlich gar nicht bedienen können!
Es gab nur eine Alternative: Eine weiße Fahne! Er musste sich ergeben. Auf diese Weise könnte er einen weiteren Beschuss verhindern und so das Schiff retten – oder zumindest Zeit gewinnen, bis der Schattengreifer mit den Zeitenkriegern zurückkommen würde. Sie wüssten bestimmt, was zu tun war.
Simon rannte vom Dach der Kajüte auf das Schiffsdeck und sah sich hektisch um.
Eine weiße Fahne! Wo zum Teufel sollte er eine weiße Fahne auftreiben?
In diesem Moment donnerte es erneut hinter ihm und er warf sich instinktiv zu Boden. Eine Kanonenkugel sauste über seinen Kopf hinweg und schlug mit solcher Wucht dicht neben dem Seelensammler im Wasser ein, dass die Wellen das Schiff zum Schwanken brachten.
Schnell sprang Simon wieder auf seine Füße. Er hatte Angst. Der nächste Schuss würde den Seelensammler bestimmt nicht noch einmal verfehlen.
Endlich entdeckte er am Bug ein zusammengelegtes Segeltuch. Es war ebenso alt und zerschlissen wie die Segel selbst, die eingeholt an den Masten hingen. Mit einem Messer, das Simon ebenfalls am Bug fand, schnitt er ein großes Stück aus dem Tuch heraus, schnappte sich einen der Enterhaken, die zu Dutzenden auf dem Deck verstreut lagen, und knotete ein Ende des Stoffes am Stab des Enterhakens fest. Damit rannte er wieder auf das Dach der Kajüte.
Keine Sekunde zu früh. Schon konnte er sehen, wie einer der Soldaten mit einer Fackel die Lunte einer Kanone entzünden wollte. Mit einem Ruck riss er seine weiße Fahne in die Luft und schwenkte sie wild hin und her.
Sofort zog der Brite da drüben die Fackel zurück.
Simon atmete auf.
Nun gab der Kanonier einem anderen Soldaten ein Zeichen und augenblicklich brach ein hektisches Treiben an Bord der britischen Fregatte aus. Mehrere Soldaten in den typischen blau-weißen Uniformen fanden sich auf Deck zusammen undsprangen schließlich in eines der Beiboote der »Sirius«. Während die Mannschaft an Deck das Boot zu Wasser ließ, ergriffen einige Soldaten die Ruder und machten sich bereit.
Simon stöhnte auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte doch nur Zeit gewinnen wollen! Nun blickte er auf das Boot, in dem etwa zehn britische Soldaten auf ihn zugerudert kamen.
Simon hatte nur noch einen Gedanken: Verstecken!
Die Soldaten legten sich in die Riemen. Schon hatten sie sich ein gutes Stück von ihrem Schiff entfernt. Nicht mehr lange und sie würden den Seelensammler betreten.
Irgendetwas musste Simon tun. Und zwar jetzt . Er konnte doch nicht hier stehen bleiben und zusehen, wie die Briten das Schiff übernehmen würden! Hastig wandte er sich um und rannte auf die Treppe zu, als eine riesige Krähe knapp an seinem Kopf vorbeirauschte.
Simon wich zur
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