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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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anzusehen. Erst jetzt bemerkte er den dünnen, goldenen Ring, der sich wie ein Regenbogen um das gesamte Gebilde wölbte und Globus, Planeten, Uhren und Herz umschloss. Ein dünner Ring, auf dem sich wiederum etwas sacht bewegte.
    Simon trat näher darauf zu. Oben, an der höchsten Stelle dieses Ringes befand sich eine Tierkralle. Simon vermutete, dass es eine Tigerkralle war oder die eines ganz ähnlichen Raubtieres. Sie schwang kaum wahrnehmbar hin und her und Simon beobachtete sie gebannt. Diese Bewegung wirkte beruhigend auf ihn, und allmählich wurde Simon klar, dass es sich hierbei um einen Kompass handeln musste. Die Kralle zeigte gewiss nach Norden. Und durch das Schwanken des Schiffes geriet auch die Kralle in Bewegung.
    Das also war die Zeitmaschine des Schattengreifers, dachte Simon beeindruckt und fragte sich, ob der Schattengreifer diese Zeitmaschine wohl selbst erbaut hatte. Aber wie konnte er zu dem Wissen gelangt sein, das für den Bau einer solchen Maschine notwendig war? Und wessen Herz schlug dort, in diesem Glas, am Fuße des Globus?
    Nachdenklich ging Simon zu seiner Kiste und setzte sich auf den Deckel. Er stützte die Ellenbogen auf die Beine und legte den Kopf in seine Hände. Lange blieb er so sitzen und starrte auf diese rätselhafte Maschine, die ihm anstelle der erhofften Antworten wieder nur weitere Fragen eingebracht hatte.
    Lange Zeit saß Simon vor der Maschine und blickte sie wie in Trance an. Er beobachtete das Herz, dessen gelegentliche Schläge auf dem ganzen Schiff spürbar waren. Er sah den Modellplaneten zu, auf ihrer Bahn um den Globus, und er beobachtetedie Kompasskralle mit ihren winzigen Bewegungen. Vor allem aber behielt er die Sanduhr im Blick, deren Inhalt unaufhörlich vom oberen in das untere Glas rieselte.
    Es befand sich nicht mehr viel Sand im oberen Glas.
    Wenn er doch nur erfahren könnte, wessen Zeit hier gemessen wurde. Zu gerne hätte Simon gewusst, was geschehen würde, wenn sich das obere Glas geleert hatte. Was konnte es nur sein, das …
    Ein donnerndes Krachen unterbrach seinen Gedankengang und ließ ihn aufspringen. Schon im nächsten Moment hörte er, wie direkt neben dem Seelensammler etwas im Wasser aufschlug. Simon rannte die Treppe zum Dach der Kajüte hinauf, hechtete am Steuerrad des Schiffes vorbei an die hintere Bordwand und blieb wie erstarrt stehen: Einige hundert Meter vom Seelensammler entfernt, direkt in der Einfahrt zur Bucht, lag ein weiteres Segelschiff. Eine Fregatte. Genauer: ein Rahsegler, wie Simon wusste, mit drei Masten und um einiges größer als der Seelensammler. Am hinteren Mast konnte Simon eine Fahne erkennen, eine weiß-rot-blaue Flagge auf rotem Untergrund.
    In Simon keimte ein Verdacht auf. Er ahnte, welches Schiff das sein konnte. Das halbrunde Dach der Kapitänskajüte, die am Heck wie abgeschnitten wirkte, kam ihm sehr bekannt vor. Um sicherzugehen, hätte er jedoch mehr sehen müssen. Aber sosehr er auch die Augen zusammenkniff – mehr konnte er einfach nicht erkennen.
    Er blickte sich auf dem Kajütdach um und entdeckte rasch, was er benötigte. Neben dem Steuerrad lag ein ausziehbares Fernrohr. Schnell lief Simon darauf zu, schnappte es sich, zog es zu voller Länge auf, blickte hindurch und fand sofort, wonacher suchte: Auf dem anderen Schiff war ganz deutlich das Wort »Sirius« zu lesen.
    Simon schrie begeistert auf. Er stand tatsächlich der wahren »HMS Sirius« gegenüber. Wenn sein Vater jetzt nur hier wäre! In dessen Arbeitszimmer gab es ein riesiges Regal voller Modellschiffe. Und gleich neben der »Endeavour«, dem Schiff, auf dem Kapitän Cook erstmals Australien bereist hatte, stand die »HMS Sirius«, das Flaggschiff der ersten Flotte. Eines der Schiffe, mit dem die ersten Siedler von England aus nach Australien gereist waren.
    Simon liebte vor allem diese Bücher seines Vaters, die von den britischen Seefahrern erzählten: von mutigen Männern, die sich und auch ihre Mannschaft abenteuerlichsten Gefahren aussetzten, als sie sich auf den Weg zum australischen Kontinent machten und ihn besiedelten. Dabei hatte es sich anfänglich ja vor allem um Strafgefangene gehandelt! Erst nach und nach war aus der Strafkolonie die Stadt Sydney entstanden … und nun?
    Nun blickte Simon ausgerechnet auf diese »HMS Sirius«. Sie war direkt vor ihm! Noch einmal suchte er mit dem Fernrohr die Stelle an dem Schiff, an der er den Namenszug entdeckt hatte, und schaute genauer hin. Vielleicht hatte er sich in der Aufregung

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