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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Stück Geborgenheit vermittelte.
    Das Segeltuch, aus dem er vor der australischen Küste die weiße Fahne angefertigt hatte, diente ihm nun als Schlafdecke. Er legte sich auf die Seite und dachte über all das nach, was er vorhin zu hören bekommen hatte. Endlich gab es Antworten auf einige seiner Fragen. Einen ersten Zusammenhang. Und vor allem hatte er den Zeitenkriegern das geben können, was sie am meisten benötigten: Hoffnung.
    Die wichtigste aller Fragen jedoch, die einzige, die er bisher für sich behalten hatte, blieb weiterhin unbeantwortet: Würde er selbst wohl jemals wieder nach Hause können?
    Langsam beruhigte sich sein Innerstes und Erschöpfung machte sich in ihm breit. Er gab diesem Gefühl nach und ließ die Augenlider sinken. Ganz gewiss werde ich keine Ruhe finden können nach all der Aufregung, dachte er noch, dann sank er in einen tiefen Schlaf.
    Doch nicht für lange. Stimmen weckten ihn.
    Simon hielt die Augen noch einen Moment geschlossen, aber er spitzte die Ohren. Diese Stimmen waren ihm völlig fremd. Keiner der Zeitenkrieger sprach so … so krächzend. Waren sie etwa nicht mehr allein auf dem Schiff?
    Simon öffnete die Augen und sah sich vorsichtig um. Das Lagerfeuer war inzwischen erloschen. Im fahlen Licht der Nacht erkannte er die Konturen der fünf anderen auf dem Schiffsdeck. Auch der australische Junge lag noch unter dem Tuch, das Nin-Si vorhin über ihm ausgebreitet hatte.
    Die Stimmen wurden lauter: »Wenn ich es dir doch sage!«
    »Und da bist du dir sicher?«
    Simon schälte sich vorsichtig aus seinem Nachtlager heraus. Auf nackten Füßen schlich er über das Deck.
    »Ganz sicher.«
    »Ich weiß nicht. Ich traue diesem Neuen nicht. Diesem …«
    »… Simon?«
    Der Junge zuckte zusammen. Woher kannten sie seinen Namen? Wer waren sie?
    Noch immer konnte er niemanden entdecken.
    »Genau. Simon heißt er. Der scheint mir sehr sonderbar.«
    Endlich verstand Simon, wo die Stimmen herkamen, und legte den Kopf in den Nacken: Die Stimmen kamen von oben, aus den Spitzen der Masten. Das Licht der ewig brennenden Fackeln blendete ihn, und er kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können. Erst als er eine Hand schützend gegen das Licht hielt, erkannte er auch die Konturen der beiden: Sie saßen auf dem Rand eines Mastkorbes.
    Zwei Krähen.
    Simon erkannte beide sofort. Die erste, die kleinere der beiden Krähen, war diejenige, die den ganzen Abend bei ihnenam Feuer gesessen und ihren Erzählungen gelauscht hatte. Die andere Krähe war ein gutes Stück größer. Ihr langer, grauer Schnabel war gebogen: Die Spitze krümmte sich weit nach vorn. Simon erkannte sie als diejenige, die ihn in der vorherigen Nacht angeschrien hatte, kurz bevor der Schattengreifer erschienen war.
    Sie sprach aufgeregt auf die kleinere Krähe ein: »Er gefällt mir nicht, der Neue. Er ist so … so …«
    »… lebendig?«
    »Genau. So lebendig. Auf ihn müssen wir ein besonderes Auge haben. Er könnte uns gefährlich werden. Seit er hier ist, bin ich auf der Hut. Und deshalb musst du mir genau sagen, worüber am Feuer gesprochen wurde. Hörst du?«
    Simon erschrak.
    Die kleine Krähe hatte also doch als Spionin an ihrer Seite gesessen. Nun würde sie alles verraten. Nun würde sie davon berichten, dass Simon den Zeitenkriegern Hoffnungen gemacht hatte und dass er dabei war, sich einen Plan auszudenken. Einen Plan, der hier schon sein Ende finden würde, bevor er überhaupt richtig Gestalt angenommen hatte. Zerstört von einer geschwätzigen Krähe. Simon hätte sich ohrfeigen können, dass er nicht vorsichtiger gewesen war.
    »Aber wenn ich es dir doch sage«, das war wieder die Stimme der kleinen Krähe. »Da war nichts Verdächtiges gewesen. Sie haben geplaudert. Einfach nur geplaudert und sich ausgetauscht.«
    »Und worüber?«
    »Das hab ich dir doch erzählt«, krächzte die Kleine ungeduldig. »Alte Geschichten von früher. Erinnerungen. Nichts weiter.«
    Simon fiel ein Stein vom Herzen. Sie verriet ihn nicht, die kleine Krähe. Sie gab nichts von dem preis, was wirklich geschehen war.
    Aber warum? War sie etwa doch keine Spionin?
    Die größere Krähe gab sich zum Glück endlich damit zufrieden. »Nun gut. Alte Geschichten am Lagerfeuer. Das hatten wir auch noch nicht. Dieser neue, dieser …«
    »… Simon!«
    »Genau. Er gefällt mir trotzdem nicht. Er gefällt mir ganz und gar nicht.« Und damit gab sich die Krähe einen Ruck und flog in den Korb des zweiten Mastes. Ein knurrig gekrächztes

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