Die Zeitensegler
existierten, sondern dass vielmehr ein einziger Kanal wie ein Ring um das Zentrum des gesamten Hafens verlief. Die hohe Mauer, mit ihren vorgelagerten Säulen, erhob sich wie ein riesiger Berg aus dem runden Kanal. Sicherlich hatten von der Spitze aus die Befehlshaber der karthagischen Flotte das Geschehen im Hafen bewacht.
Außen, um die Wasserstraße herum, umspannte ein gigantisches Bauwerk den Ring aus Wasser: eine Anlage aus riesigenSchuppen, die einer nach dem anderen aneinandergereiht waren und die einigen Hundert Kriegsschiffen der Karthager als Stellplätze dienten.
Doch all das war in dem Moment, als der Seelensammler in den Hafen gezogen wurde, nur noch zu erahnen. Wie zuvor der Handelshafen, so war auch dieser Kriegshafen bereits Opfer blinder römischer Zerstörungswut geworden. Dieses einst so wundervolle kolossale Bauwerk lag in Schutt und Asche. Schwarzer Rauch stieg auch aus diesen Trümmern hervor.
Überall lagen zerstörte Kriegsschiffe der Karthager in den Ruinen der Schuppen. Bugspitzen ragten wie abgeschlagene Köpfe zwischen den Wracks hervor. Die für diese Schiffe so typischen aufgemalten Augen schienen Simon mit leerem Blick anzustarren.
Simon war so entsetzt, dass ihm heiße Tränen in die Augen stiegen. Es hatte gewiss Jahrzehnte gebraucht, um all dies zu erbauen und nun war es in kürzester Zeit zerstört worden. Der Fleiß und die hohe Kunstfertigkeit Tausender und Abertausender Menschen – vernichtet und zertreten!
In Simon flammte auf einmal eine unbändige Wut auf. Wie konnten sich Menschen nur so etwas gegenseitig antun? Doch er riss sich zusammen. Er musste sich auf das konzentrieren, was nun vor ihnen lag: Basrars Rettung. Dafür waren sie hier.
Simon wandte mühsam den Blick von den Ruinen ab und blickte nach vorn zur Quinquereme: Die Römer zogen den Seelensammler jetzt bis zu einer Stelle, wo sich die Überreste einiger Schiffsschuppen befanden. Dort vertäuten sie ihn an einer Kaimauer.
Wieder wurde die Holzplanke von der Quinquereme zum Seelensammler gelegt und einer der Legionäre kam an Bord. Ohnedie anderen Jugendlichen zu beachten, kam er sofort auf Simon zu. Es war einer der Soldaten, die vorhin Neferti bewacht hatten.
»Richtet euch hier ein«, befahl er unumwunden. »In den nächsten Tagen wird dieser Hafen euer Quartier sein. Bleibt auf diesem Schiff, es wird euch an nichts mangeln.«
»Können wir von Bord?«, erkundigte sich Simon. »In die Stadt?«
Der Römer winkte schnell ab. »Wollt ihr sterben? Die Stadt ist ein einziges Gemetzel. Ihr würdet zwischen die Fronten geraten und von Speeren aufgespießt werden, noch bevor ihr die erste Straßenecke passiert habt. Nein, bleibt an Bord dieses Schiffes, verhaltet euch ruhig, dann werdet ihr bald vielleicht sogar Konsul Scipio persönlich kennenlernen. Ich denke, ihr werdet ihm gefallen.«
Simon nickte, ohne eine Miene zu verziehen.
Doch irgendetwas in Simons Blick erschien dem Soldaten wohl plötzlich verdächtig, denn er befahl mit lauter Stimme: »Zur Sicherheit werde ich fünfzig Legionäre auf diesem Schiff postieren.« Simon fragte sich, wessen Sicherheit er damit wohl meinte. Er traute ihm nicht.
»Fünfzig Legionäre und keinen Mann weniger«, setzte der Soldat nach. »Dem Zenturio liegt ja wohl eine ganze Menge an diesem Schiff.« Er besah sich alles mit fachmännischer Miene. »Nun, ich schätze mal, so ein Handelsschiff könnte den ganzen Aufwand wert sein. Vermutlich wird es wohl noch einiges an Reichtümern bergen.«
Mit einem letzten prüfenden Blick auf Simon machte der Soldat kehrt und ging von Bord. Simon konnte endlich seinen Platz am Steuerrad aufgeben und zu seinen Freunden eilen. Neferti fiel ihm um den Hals.
»Das war beeindruckend«, sagte sie, strahlend vor Begeisterung. »Du warst so mutig.«
»Und diese Lügengeschichten, die du erzählt hast«, kicherte Salomon. »Das war ja unglaublich, wir sind aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Wo hast du das alles her?«
»Na ja, ich …« Simon zuckte mit den Schultern.
»Sehr gute Arbeit!«, lobte Salomon mit Nachdruck und Moon und Neferti nickten eifrig.
Jetzt wandte sich Simon mit besorgter Miene Nin-Si und dem Australier zu. »Wie geht es ihm?«
Nin-Si setzte gerade zu einer Antwort an, als der Junge aufschreckte und sich mit ängstlichem Blick weiter in die Bugspitze verzog.
»So geht es ihm«, antwortete Nin-Si. »Ich habe das Gefühl, dass er mir allmählich vertraut. Aber vor allem hat er furchtbare Angst.«
»Das
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