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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Bordwand des Seelensammlers gelegt, an deren Ende spitze Haken in das Holz des Schiffes griffen.
    Eine Gesandtschaft von zehn bewaffneten Soldaten betrat gemeinsam mit dem Zenturio das Schiff. Misstrauisch blickten sie sich um. Es war ihnen anzusehen, dass sie so etwas wie den Seelensammler noch nie zu Gesicht bekommen hatten.
    Jeweils zwei der römischen Soldaten postierten sich nun rechts und links von Simon und den Zeitenkriegern. In der rechten Hand den Wurfspeer, in der linken den Schutzschild, ließen sie Neferti, Moon, Salomon und Nin-Si nicht mehr aus den Augen. Einzig dem zitternden Aborigine schenkten sie kaum Beachtung.
    Der Zenturio kam mit zwei Wachen auf Simon zu. Da er das Schiff gesteuert hatte, wurde er wohl als Anführer der Gruppe angesehen.
    Mit finsterem Blick baute sich der Zenturio vor Simon auf. Sein fettes Gesicht schien von den Wangenklappen an seinem Helm beinahe eingedrückt zu werden. Dennoch bot er ein Respekt einflößendes Bild, das durch den dichten, halbrunden, roten Federbusch auf seinem Helm noch verstärkt wurde: dem auffälligsten Zeichen seiner Macht.
    Die beiden Soldaten traten jetzt so dicht an ihn heran, dass Simon ihren Schweiß riechen konnte. Keine Frage: Sie wollten ihn einschüchtern. Und das gelang ihnen auch!
    »Wer seid ihr und woher kommt ihr?« Der Zenturio spuckte Simon die Fragen geradezu entgegen.
    In Simons Hirn überschlugen sich die Gedanken. Alles hing nun davon ab, wie er reagierte: Er würde den Römern eine ordentliche Lüge auftischen müssen. Doch wenn sie ihnen nicht einigermaßen glaubhaft erschien, wären sie verloren!
    »Wir sind bloß Handelsleute«, gab er vorsichtig zur Antwort. »Wir …«
    »Handelsleute? Ihr?«, schoss es Simon wieder bellend entgegen. »Wo ist der Befehlshaber dieses Schiffes?«
    »Gestorben«, platzte Simon heraus, doch er verbesserte sich hastig: »Getötet worden.«
    »Was? Getötet? Wer hat ihn getötet?«
    »Es waren … Er … Wir …«
    Simon sah sich schon von Speeren durchstoßen. Das konnte nicht gut gehen. Tut mir leid, Basrar, dachte er nur noch, da forschte der Zenturio auch schon weiter nach: »Nun? Was ist geschehen?« Er zeigte auf den australischen Jungen. »Waren esWilde? So einen wie den da habe ich ja noch nie zu Gesicht bekommen.«
    »Ja«, gab Simon hastig zur Antwort. Er war dem Zenturio dankbar für diese Vorlage. Denn jetzt sprudelten die Lügen nur so aus ihm heraus und er wunderte sich über seinen eigenen Ideenreichtum.
    »Es waren Wilde«, begann er und sah den Zenturio mitleidheischend an. »Eine ganze Horde Wilder. Wir steuerten gerade eine Insel an. Nach Hunderten von Tagen auf dem Meer brauchten wir Proviant und die Insel schien unbewohnt. Wir warfen also Anker, ruderten mit unserem Boot zum Ufer und machten uns auf die Suche nach Obst oder nach Tieren, die wir hätten jagen können, als plötzlich ein ganzer Stamm dieser Ureinwohner über uns herfiel. Es kam zum Kampf, doch die anderen waren in der Übermacht. Wir verloren beinahe die gesamte Schiffsmannschaft. Nur wir fünf hier überlebten. Vielleicht sahen die Wilden in uns keine Gefahr, weil wir so … äh … jung sind.«
    Schweiß rann Simon über das Gesicht und mit angehaltenem Atem wartete er die Reaktion des Zenturios ab.
    Der verzog erst einmal keine Miene, doch schließlich sagte er ruhig: »Das ist ja eine unfassbare Geschichte.«
    Er hatte die Stimme gesenkt, hielt den Kopf ein wenig nach unten und spuckte endlich nicht mehr bei jedem Wort. »Ich weiß nur nicht, ob ich sie dir glauben soll.«
    Er blickte sich auf dem Schiffsdeck um. »Was macht die Ägypterin hier?« Neferti zuckte zusammen. »Das ist doch eine Ägypterin, oder?«
    »Gewiss, eine Ägypterin. Sie … Ihre Eltern …«
    »Ja?«
    »Unser Befehlshaber hat sie auf einer seiner Fahrten – nun, gekauft. Er …«
    Der Zenturio zeigte auf Nin-Si, Moon und Salomon. »Und diese da? So etwas wie die habe ich auch noch nie gesehen.«
    »Europa und auch Asien«, antwortete Simon. Die Unwahrheiten flossen mittlerweile nur so aus ihm heraus. Seine Fantasie schlug regelrecht Purzelbäume. »Alle eingekauft. Billige Arbeitskräfte, sagte unser Anführer immer. Jung und kräftig, aber billig!« Und wieder wunderte er sich über sich selbst. Wie kam er denn nur auf solche Dinge?
    Der Zenturio rieb sich nachdenklich mit einer Hand über das Kinn.
    »Aha, eingekauft. Jung und billig«, murmelte er, und Simon spürte, dass dem Römer noch etwas ganz anderes auf der Seele brannte.

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