Die Zeitensegler
den Hafen bestätigte sich nun: Die Schlacht um diese Anlage war bereits entschieden worden.
Dafür tobten die Kämpfe in den Straßen Karthagos umso heftiger. Soweit Simon das durch die dunklen Rauchschwaden der brennenden Häuser erkennen konnte, wurde an jeder Ecke gekämpft. Mit Schwertern, Speeren, Dolchen, Knüppeln, Stöcken, Steinen oder sogar mit bloßen Fäusten gingen die Menschen aufeinander los.
Hassverzerrte Gesichter, wohin Simon auch blickte.
An einer Hausecke, hinter dem Kadaver eines toten Pferdes, suchten sie Schutz.
»Wie sollen wir Basrar hier jemals finden?« Neferti hielt krampfhaft Simons Arm umklammert, während ihre Blicke mit einem Ausdruck der Panik umherirrten.
In Simon keimte die Vermutung auf, dass Neferti so oder so ähnlich ihre letzten Stunden erlebt hatte – damals in ihrer Heimat, kurz vor dem Erscheinen des Schattengreifers.
»Erinnert euch an das, was Basrar uns am gestrigen Abend erzählt hatte«, wandte sich Moon an seine Freunde. »Sagte er nicht etwas von einem Hügel?«
Salomons Gesicht wurde freundlicher. »Doch. Und von einer Tempelanlage, in deren Nähe er wohnte.«
Moon reckte sich, um über den Pferdekörper zu blicken, und deutete mit der Hand über die flachen Dächern der Häuser hinweg. Seine Freunde mussten sich anstrengen, etwas durch den Feuerrauch zu erkennen, doch schließlich konnten sie einen Hügel ausmachen, an dessen Hängen ebenfalls viele dieser Häuser aus Lehmziegeln standen.
»Ihr glaubt, dort könnte Basrar sein?«, fragte Neferti.
»Dort oder auch ganz woanders«, Simon zuckte mit den Schultern. »Aber irgendwo müssen wir ja schließlich beginnen. Und der Hügel ist der einzige Anhaltspunkt, den wir haben.«
Die Angst in den Augen seiner Freunde spiegelte das wider, was in Simon vor sich ging. Doch sie konnten Basrar nicht im Stich lassen!
Simon blickte nach links, wo sich gerade zwei römische Soldaten den Weg gegen zwei Karthager freikämpften. Daraufhin blickte er nach rechts: in eine Straße, in deren Mitte ein Karthager in blinder Wut auf einen längst toten Römer einschlug.
»Los, hier lang!«
Simon gab sein Versteck auf und rannte seinen Freunden voraus, an dem brüllenden Karthager vorbei. Seine Freunde blieben dicht hinter ihm.
Der Karthager war so tief in seine Hasshandlung versunken, dass er nichts um sich herum bemerkte. Simon und die Zeitenkrieger kamen problemlos an ihm vorbei.
An der nächsten Ecke erwartete sie der gleiche Anblick wie schon zuvor: kämpfende Menschen in den Straßen, eingestürzte Häuser, meterhohe Flammen und der Boden: blutdurchtränkt.
Simon schlich, dicht an eine Hausmauer gedrängt, seinen Freunden wieder voraus.
»Das ist doch Wahnsinn!«, schrie Salomon, als sie sich hinter einer weiteren Hauswand verstecken konnten. »Wir rennen hier durch eine Stadt im Krieg, ohne Waffen oder Schutz. So finden wir Basrar nie!«
»Was sollten uns die Waffen denn nützen?«, erwiderte Neferti. »Willst du etwa bei diesem Gemetzel mitmachen? Könntest du ein Schwert in den Körper eines Römers oder eines Karthagers rammen? Könntest du das?«
Salomon blickte sie verärgert an, sagte aber nichts.
»Hört auf«, versuchte Simon zu vermitteln. »Es bringt nichts, wenn wir uns auch noch streiten. Wir müssen weiter.«
Moon blickte sich nachdenklich um. »Wo Hass und Streit gesät werden, da können auch nur Hass und Streit geerntet werden«, sagte er. »Das hat mein Vater immer gesagt. Passt auf, meine Freunde, dass sich der Hass in diesen Straßen nicht in eure Geister frisst. Lasst euch nicht vergiften von der Wut um uns herum.«
Simon zog an seinem T-Shirt. »So wie wir hier herumlaufen, fallen wir bestimmt nur auf. Wir brauchen andere Kleidung.«
»Wo sollen wir die denn herbekommen?« Salomon verlor allmählich die Geduld. »Nin-Si hatte recht! Wir hätten uns nicht hierauf einlassen sollen. Immer noch besser, auf dem Seelensammler zu verharren und auf den Schattengreifer zu warten, als in diesen Straßen herumzulaufen und sich aufschlitzen zu lassen.«
»Das ist nicht dein Ernst«, stieß Neferti hervor und Salomon schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.«
»Dann denk an Basrar!«
Auf einmal wies Neferti auf ein Haus in der Mitte der nächsten Straße. Dünne, graue Rauchschwaden stiegen zwar daraus empor, doch das rechteckige Gebäude war im Vergleich zu den Ruinen, die es umgaben, beinahe unbeschadet.
»Bestimmt ist es verlassen«, überlegte sie. »Und vielleicht
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