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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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geworfen hatte, stieß sie von sich und machte einen Schritt zurück.
    »Krankheiten?«, brüllte der Zenturio vom Heck her.
    Seinem Gesicht konnte Nin-Si ansehen, dass sie mit ihrer Lüge genau den wunden Punkt der Römer erwischt hatte. Sie fürchteten sich offenkundig ebenso heftig vor tückischen Krankheiten und Epidemien, wie es Nin-Sis Familie einige Tausend Jahre zuvor getan hatte.
    Manche Dinge ändern sich wohl nie, dachte Nin-Si, bevor sie ihre Hysterie noch steigerte. Sie rannte jetzt kreuz und quer über das Deck und berührte in geheuchelter Hilflosigkeit die Legionäre an den Armen oder an den Händen.
    »Oh, ihr müsst mir beistehen! Ich brauche Hilfe.«
    Sie zog einen Legionär am Arm: »Bitte, könnt ihr mir nicht helfen?«
    Doch der Legionär stieß sie nur panisch von sich.
    Also rannte Nin-Si auf die andere Seite des Schiffsdecks, auf den nächsten Römer zu: »Ihr könnt mir aber doch bestimmt helfen, oder?«
    Unruhe breitete sich jetzt unter den Legionären aus. Unsicher blickten sie sich um. Noch immer hatten sie auf Befehl ihres Zenturios die Stellung zu halten. Doch keinesfalls wollten sie mit diesem Mädchen in Berührung kommen und sichvon ihren möglichen Krankheiten anstecken lassen: Sie war ja ohnehin schon kränklich und bleich!
    Nin-Si jubelte innerlich: Ihr Plan ging auf! Die Luke und Nin-Sis Freunde waren erst einmal vergessen! Doch da ließ sie ein Ruf des Zenturios aufhorchen: »Schluss jetzt«, donnerte es über das Deck. »Legionäre: Sichern!«
    Nin-Si blieb erschrocken stehen. Die Legionäre traten einen Schritt auf sie zu und hielten die Spitzen ihrer Speere nach vorn auf sie gerichtet.
    Der Zenturio trat mit zufriedenem Gesicht auf sie zu.
    »Nun wollen wir dem Ganzen doch endlich ein Ende setzen«, sagte er. Nin-Sis ängstlichen Blick schien er regelrecht zu genießen. Dann nickte er den Legionären zu und erteilte ihnen damit wortlos seinen Befehl.

    Simon fiel erschöpft zu Boden. Er konnte die Haut seiner Hände unter all dem Blut kaum mehr sehen. Und dabei hatte er sich in dem Trümmerberg nicht einmal einen Meter weit durch den Schutt vorgekämpft.
    Dies ist dein Grab, Neferti, dachte er nur, und in ihm machte sich die schmerzhafte Erkenntnis breit, dass all seine Hoffnungen vergebens gewesen waren. Die Ägypterin war unwiderruflich begraben. Unter all den Steinen, all dem Schutt.
    Moon streckte ihm eine Hand entgegen. Er ergriff Simons Handgelenk und half ihm auf die Beine. Dann zog er ihn nahe an sich heran und nahm ihn in den Arm.
    Sie sprachen kein Wort. Sie versuchten nicht, das Unaussprechliche in Sätze zu fassen.
    Simon ließ sich von Moon auf die Straße führen, und mit einem letzten Blick auf das, was einmal ein karthagisches Hausgewesen war und nun Nefertis Grab geworden war, suchten sie sich ihren Weg zum Byrsa-Hügel.
    Simons Füße waren schwer wie Blei und er schritt nur mühsam und langsam voran. Er fühlte sich leer. Ihm war, als wäre ein Teil von ihm ebenfalls in den Trümmern des eingestürzten Hauses geblieben. Wenn er Neferti doch nur noch einmal hätte wiedersehen können! Nur, um sich zu verabschieden.
    Er blieb stehen und blickte sich um. Einmal nur wollte er sie noch wiedersehen.
    Es war Moon, der ein weiteres Mal die richtigen Worte fand: »Es gibt eine Zeit zu trauern und es gibt eine Zeit zu handeln«, sagte er. »Es ist jetzt an der Zeit zu handeln. Oder möchtest du Basrar auch noch verlieren?«
    »Nein!« Moons Worte weckten in Simon neuen Tatendrang. »Lass uns Basrar suchen!«
    Die Orientierung in den Straßen Karthagos fiel ihnen nicht schwer, denn sie verliefen geradlinig und waren parallel zueinander angelegt, wie mit einem Lineal gezeichnet.
    Immer wieder mussten Simon, Moon und Salomon kämpfenden Menschen ausweichen und sich hinter Bäumen und Büschen oder in zerstörten Häusern und Anlagen verstecken, doch schließlich hatten sie den Hügel erreicht.
    Die Schlacht tobte hier schlimmer als in den Straßen nahe der Hafenanlage. Anscheinend hatten die Karthager die eigentliche Stadt bereits aufgegeben und verteidigten nun vor allem eines: den Tempel des Gottes Eschmun, das wichtigste Heiligtum der Stadt. Doch schon mit dem ersten Blick auf das Geschehen wurde den dreien klar, dass dies ein verzweifeltes Unterfangen war: Dies hier war einst eine belebte Straße gewesen. Die Häuser an den Berghängen waren jedoch mit noch größererWut zerstört worden als die Gebäude in der Ebene. Nur hier und da lagen noch einzelne Waren oder

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