Die Zeitensegler
atmete erleichtert auf. Sofort drehte sie sich nach dem Aborigine um. Auch von ihm ließen die Legionäre nun ab und Nin-Si konnte ihn sich kurz genauer betrachten.
Der Junge saß zusammengekauert da, gegen die Schiffswand gepresst und den Kopf zwischen seinen Knien vergraben.
Nin-Si hätte sonst etwas dafür gegeben, auch in sein Gesicht sehen zu können. Doch dazu kam es nicht mehr. Ihre Aufmerksamkeit wurde bereits auf etwas anderes gelenkt, auf den Legionär, der nun wieder seinen kurzen Marsch in Richtung Luke fortgesetzt hatte, um die vermeintlich unter Deck Schlafenden heraufzuholen.
Nin-Si blieb fast das Herz stehen. Sie waren verloren, wenn der Römer in den Schiffsrumpf schaute! Sie sah sich nach dem Zenturio um, der sich gerade an dem Steuerrad des Seelensammlers zu schaffen machen wollte. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen.
Lieber sterbe ich, als dass meinen Freunden etwas geschieht!, dachte sie nur noch und wandte sich mit blitzenden Augen den Legionären zu.
Salomon hielt die Augen geschlossen und machte sich darauf gefasst, das Gefühl des Sterbens kennenzulernen. Aus dem Augenwinkel heraus konnte er die silberne Spitze des Schwertes auf sich zurasen sehen.
Simon schrie in seinem Versteck auf und riss damit auch Moon aus seiner Erstarrung.
»Los!«, rief der Indianer und zerrte Simon am Arm aus dem Versteck.
Blitzschnell sprangen sie auf den Römer zu und stießen mit aller Wucht gegen seine Rüstung. Der Römer war so überrascht, dass er mit Salomon im Griff hintenüberfiel. Sein Schwert flog in hohem Bogen davon, in den verwüsteten Garten eines kleinen Wohnhauses.
Geschwind packte Simon seinen Freund am Arm und zog ihn mit sich. Die drei liefen, so schnell sie nur konnten.
Bis Salomon plötzlich stoppte. Seine Augen waren starr nach vorn gerichtet: Er stand mitten im Kampfgetümmel auf der Straße. Seine große, mächtige Gestalt fiel sofort auf. Sein weißer, kahler Schädel gleißte im Licht der brennenden Gebäude um ihn herum, die schwarzen Augen funkelten erwartungsvoll. Er war hier: der Schattengreifer!
Er redete auf eine verzweifelt weinende Frau ein, um die sich zwei Mädchen und ein Junge scharten: Die beiden kleinen Mädchen standen rechts und links von ihr und hatten wie zum Schutz jeweils einen Zipfel ihres Kleides ergriffen. Daneben stand der Junge, der wie gebannt das Gespräch der Frau mit dem Schattengreifer verfolgte: Basrar!
Irgendetwas an dieser Szene war unwirklich und grotesk. Es wirkte beinahe so, als sei die Zeit für diese Menschen dort stehen geblieben. Das Kampfgeschehen um sie herum schien sie nicht zu betreffen und die Kämpfenden in der Straße schienen keine Notiz von ihnen zu nehmen. Das alles hatte etwas derart Unrealistisches, dass es Simon mehr Angst machte als all die Menschen mit ihren Waffen um ihn herum.
Der Frau rannen die Tränen in Strömen über die Wangen. Doch sie nickte bereits und der Schattengreifer lächelte ihr zufrieden entgegen. Kein Zweifel: Sie stand kurz davor, ihm ihren Erstgeborenen zu überlassen.
Jetzt! Jetzt mussten Simon und seine Freunde handeln. Dies war der Moment, in dem der Schattengreifer noch keine Macht über Basrar hatte.
»Basrar!« Ohne weiter zu überlegen, rannte Simon auf seinen Freund zu. »Basrar!«
Weder der Karthager noch der Schattengreifer wandten sich zu Simon um, obwohl sie nur noch wenige Schritte trennten.
Plötzlich wurde Simon jäh gestoppt, die Faust eines karthagischen Kriegers sauste auf ihn zu und traf ihn mit solcher Heftigkeit an der Brust, dass er ächzend und nach Luft schnappend zu Boden ging.
Bevor Simon richtig zu sich kam, baute sich der Karthager über ihm auf und musterte den Jungen von oben bis unten. Vor allem Simons Kleidung schien ihn zu interessieren: die karthagische Toga und das T-Shirt, welches darunter hervorblitzte. Schließlich bückte er sich, packte Simon, riss ihn auf die Füße und zog ihn zu sich heran.
Aus den Augenwinkeln konnte Simon nur noch erkennen, wie Basrars Mutter die Hand ihres Sohnes in die Klaue des Schattengreifers legte.
Simon streckte die Hände nach ihnen aus, so als könne er seinen Freund doch noch greifen. Aber Basrar und der Schattengreifer hatten sich bereits umgewandt und machten sich auf den Weg.
»Nein! Basrar!«
Nin-Si war wild entschlossen, ihre Freunde zu schützen. Es galt, ihren Freunden mehr Zeit für die Rückkehr zu verschaffen.
Lieber sollten die Speere der römischen Soldaten sie durchbohren, als dass ihre Freunde in
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