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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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frage mich, wie lange dieser Moment wohl hätte dauern sollen. Und nun?«
    Der Zenturio wies auf den Seelensammler. »Bitte, sei mein Gast!«
    »Das hatte ich ohnehin im Sinn«, erwiderte der Fremde herablassend. »Doch meinen Fang nehme ich mit!«
    Nin-Si zuckte zusammen.
    Der Zenturio lächelte kriecherisch : »Sie war eh als Geschenk für dich gedacht!«
    Jetzt verstand Nin-Si, wer sie so grob am Arm hielt, und es war ihr nicht wohl bei der Gewissheit, wem sie hier gegenüberstand, als der Zenturio ihre Ahnung bestätigte: »Sei mein Gast«, sagte er und verbeugte sich tief. »Sei mein Gast und sieh, was ich dir für ein Geschenk bereiten werde, mächtiger Scipio.«

    Simon rang noch immer nach Atem. Er blickte zu dem Karthager auf. Vor ihm stand ein Hüne. Ein Riese. Er maß bestimmt an die zwei Meter, sein ganzer Körper war mit Muskeln bepackt.
    Der Mann war gewiss ein erfahrener Kämpfer. Sein Hieb hatte Simon alle Luft genommen. Doch nicht nur das raubte ihm den Atem. Sie hatten so kurz vor dem Ziel gestanden und nun entfernte sich Basrar an der Seite des Schattengreifers von ihnen. Simon verlor jegliche Hoffnung, seinen Freund retten zu könnten. Doch nun hatten sie verloren, und er fürchtete auch diesen Karthager nicht mehr – diesen Menschen, von dem er wusste, dass seine Zeit gezählt war.
    Simon war sich im Klaren, dass er einem Mann ins Gesicht sah, der kurz davorstand, alles zu verlieren: sein Leben, seine Stadt, seine Ehre. Nur noch wenige Stunden und alles, was diesem Menschen jemals heilig und wichtig gewesen war, wäre zerstört. Karthago würde schon sehr bald nicht mehr existieren und mit dieser Stadt würden auch ihre Bewohner untergehen. Seine unbändige Wut auf diesen Mann verschwand. Simon konnte nur noch Mitleid mit diesem Kämpfer empfinden.
    Der Karthager stutzte. Er schien Simons Gedanken zu erahnen. In dem Gesicht des Jungen erkannte er wohl dessen Mitgefühl für diese Stadt und ihre Menschen. Langsam lockerte er den Griff um Simon und sah dem Jungen nachdenklich in die Augen, während sich seine Gesichtszüge entspannten. Der Hass, der ihn eben noch erfüllt hatte, schien verflogen. Er starrte Simon noch einen Moment lang an. Und als ob er sich auf einmal des Wahnsinns dieser ganzen Situation bewusst wurde, ließ er Simon plötzlich los.
    Der Mann trat einen Schritt zurück, sah Simon noch einmal fest in die Augen, dann deutete er eine Verbeugung an, wandte sich um und ging davon. Er ließ Simon einfach stehen und machte sich auf seinen Weg.
    Grübelnd. Innerlich erschüttert.
    Simon blickte dem Mann verwundert nach.
    Salomon gab ihm einen leichten Stoß: »Was war das denn?«
    Doch ohne Simons Antwort abzuwarten, fuhr Moon dazwischen: »Schnell! Basrar! Der Schattengreifer! Wir können sie immer noch einholen!«

    Wieder rannten sie die Straßen hinunter, wieder an unzähligen Kampfplätzen vorbei. Zweimal schon waren sie knapp dem Tode entkommen. Ein drittes Mal würden sie bestimmt nicht so viel Glück haben.
    Menschen taumelten ihnen entgegen, Speere landeten zu ihren Füßen, brennende Pflöcke säumten ihren Weg. Den Freunden gelang es, wenn auch manchmal nur um Haaresbreite, allem auszuweichen, und schließlich entdeckten sie, was sie suchten: den Schattengreifer, mit Basrar an seiner Hand. Die beiden gingen bereits auf eines der Stadttore zu. Dorthin, wo sich nach Basrars Erzählung der Schattengreifer den Schatten des Karthagers genommen und sein Schicksal bedingungslos an das des Seelensammlers geknüpft hatte. Nur noch wenige Augenblicke und Basrar würde ihm gehören. Die Reise hierher, ihre Hatz durch diese untergehende Stadt und vor allem: Nefertis Opfer – alles wäre umsonst gewesen.
    Nun vergaß Simon alle Vorsicht. Er rannte, er flog beinahe. Und dann hatte er sie eingeholt.
    »Basrar!«
    Der karthagische Junge blieb stehen und drehte sich zu Simon um. Das Gesicht tränenübererströmt und in den Augen die Angst vor dem Unbekannten, das ihn nun erwartete. Simon stutzte, als er Basrar so sah. Dies war nicht der starke Kämpfer, als den er seinen Freund bisher kennengelernt hatte. Hier stand ein Junge vor ihm, dem soeben aller Halt im Leben genommen worden war und der von seiner neuen Zukunft noch nichts kannte – nichts, bis auf diese gespenstische Gestalt, in deren knochigen Fingern seine Hand steckte.
    »Basrar, ich bin’s, Simon!«
    Nun wandte sich auch der Schattengreifer nach ihm um. Seine schwarzen Augen funkelten ihm wütend entgegen. Simon machte sich

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