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Die Zeitensegler

Titel: Die Zeitensegler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Die Büsche, durch die sie die Männer beobachtet hatten, waren undurchdringlich. Und vor ihnen: die Tasmanischen Tiger, die langsam, Stück für Stück, weiter auf sie zukamen.
    Das Knurren wurde lauter.

Ruhe.
Er benötigte Ruhe.
Doch dazu fehlte ihm die Zeit.
Später vielleicht.
Jetzt suchte er fieberhaft in den Büchern nach einer Lösung seines Problems. Er musste die Verbindung wiederherstellen.
Er musste sein Schiff wieder in seine Macht bekommen.
Die bleiche Haut hing schlaff an seinem Schädel.
Ihm war, als könnten augenblicklich seine Augen aus ihren Höhlen fallen, so erschöpft fühlte er sich. Mit beiden Händen stützte er sich ab, während er nachdachte.
Und nachdachte.
Dachte …
Doch plötzlich kam Leben in ihn.
Er richtete sich auf, wandte sich rasch von seinem Tisch ab und eilte die langen Hallen entlang. Alle Müdigkeit war verflogen.
Er wusste eine Lösung.
Mit seiner Krähe auf der Schulter eilte er an zahllosen Türen und Torbögen vorbei, bis er hinter der größten seiner Kammern in einen Gang einbog. Wie auf ein unsichtbares Zeichen flammten die Fackeln an den Wänden auf.
Am Ende des Ganges öffnete er eine eichene Doppeltür.
Mit einem breiten Lächeln hielt er inne und genoss das Schauspiel, das sich seinen Augen bot.
Fauchend schritt das Tier die Gitterstäbe entlang.
Der Käfig hatte ihm in all den Jahren seinen Stolz und seine Kraft nicht nehmen können. Mit einer Würde, wie sie nur von einem Tier seiner Art ausgehen konnte, blickte es seinem Besucher entgegen, ohne seinen Gang zu unterbrechen.
Es wendete am Ende der Gitterstäbe und setzte seinen Weg weiter fort. Lediglich das Fauchen verstummte.
Still hielt es den Blick auf die Doppeltür gerichtet.
Einen Moment noch kostete er diesen Anblick aus.
Dann wurde es Zeit zu handeln.
Er öffnete die Käfigtür und stieg hinein.
Die Bewegungen hatten ein Ende.
Misstrauisch verfolgte das Tier jede Regung seines Besuchers.
Als dieser sich in die Hocke begab, war die Neugierde geweckt, und es trat zögernd auf ihn zu.
Die Krähe auf seiner Schulter zuckte nervös.
Doch er selbst empfand keinerlei Furcht vor diesem riesigen Geschöpf. Beinahe ehrfürchtig ließ er das Tier auf sich zukommen, strich mit einer Hand über dessen Kopf und mit der anderen über Hals und Nacken des Tieres, bis hinunter zur rechten Pfote. Er griff sanft danach, legte die Pfote in seine offene Hand und blickte zufrieden auf das, was ihn auf die Lösung seines Problems gebracht hatte. Auf die Lücke in der Pfote. Er dachte an die fehlende Kralle.
Sie konnte ihm die Verbindung zum Seelensammler verschaffen.
Die Kralle. Die Kompassnadel der Zeitmaschine. Die Kralle aus der Pfote, die der Schattengreifer in diesem Moment andächtig in seiner Hand hielt.
Die Kralle des Säbelzahntigers, vor dem er gerade kniete.

Die beiden Freunde versuchten verzweifelt, mehr Abstand zwischen sich und die Tasmanischen Tiger zu bringen. Sie drückten sich fest gegen die Bäume in ihrem Rücken und nur die pure Angst hielt sie davon ab zu schreien.
    Jede ihrer Bewegungen wurde mit einem bedrohlichen Knurren beantwortet. Eine Flucht war ausgeschlossen.
    Schon kam eines der Tiere näher – so nah, dass es mit seiner Schnauze beinahe die Füße der beiden Freunde berühren konnte.
    Auch die anderen Tasmanischen Tiger rückten noch weiter vor, ihre Muskeln schienen sich bereits anzuspannen …
    Sie machten sich zum Sprung bereit! Simon schloss die Augen.
    Doch plötzlich vernahm er einen ungewöhnlichen Laut und das Knurren verstummte augenblicklich. Simon öffnete vorsichtig die Augen. Wieder ertönte das Geräusch und auf einmal wandten sich die Tasmanischen Teufel von den beiden Jungen ab.
    Woher kam dieses Geräusch nur? Simon suchte mit den Augen die Umgebung ab. Und dann sah er endlich, wer sie gerade gerettet hatte. Er lachte erleichtert auf. Salomon, der Simons Blick gefolgt war, lächelte ebenfalls: Vor ihnen stand ihr australischer Freund. In seiner rechten Hand hielt er einen langen Wurfspieß, den er sich aus einem Ast gefertigt hatte. Möglicherweise befand er sich gerade auf der Jagd.
    Er schnalzte noch einmal auf diese ungewöhnliche Weise mit der Zunge und die Tasmanischen Tiger versammelten sich wie brave Hunde um seine Beine.
    Simon war erleichtert und beeindruckt zugleich. Dieser Aborigine hier war zwar eindeutig derselbe, der ihm Stunden zuvor noch seine Schmerzen genommen hatte. Doch er hatte trotzdem nur wenig Ähnlichkeit mit dem ängstlichen, eingeschüchtertenJungen

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