Die Zeitensegler
Übergang von seiner Welt in die andere Welt.
Dorthin, wo alles darauf wartete, seinen Plan auszuführen.
Dorthin, wo der Ursprung all dessen war, was er sich erträumte.
Sein Reich: sein Schiff.
Simon saß den Jugendlichen auf dem Schiffsdeck gegenüber und versuchte zu verstehen, was sie ihm zu sagen hatten. Er ließ sie reden, berichten, doch die Worte, die er zu hören bekam, waren so absurd, dass ihm der Kopf schwirrte. Sie erzählten von Besuchen in verschiedenen Epochen, von einer gigantischen Maschine und einem jahrtausendealten Zauber, von Raub und Katastrophen, Kriegen und Krankheiten, von zerstörten Hoffnungen und zerschlagenen Wünschen. Je mehr Simon von den Fremden erfuhr, desto verwirrter war er.
Die einzelnen Worte, die er hörte, waren wie Puzzleteile, die vor ihm ausgeschüttet wurden. Aber sie ließen sich nicht zusammenfügen. Sie ergaben kein Bild. Und vor allem ergaben sie keinen Sinn.
Simon verdrehte die Augen. Er hatte Puzzlespiele noch nie gemocht.
Die Berichte klangen so unglaublich. Doch Simon spürte, dass diese Jugendlichen es ernst meinten. Und allmählich vertraute er ihnen.
Plötzlich horchte er auf: Moon, der Lakota-Indianer, hatte von Gefangenschaft gesprochen.
»Wer?«, fragte Simon. »Wer hält euch gefangen?«
Die fünf blickten sich kurz an. Simon bemerkte die Angst, die in ihnen hochkam.
»Wir werden schon lange festgehalten auf diesem Schiff«, wich Basrar Simons Frage aus. »Vielleicht schon seit vielen Jahren.«
»Oder seit vielen Jahrhunderten«, warf Neferti ein. »Wir wissen es nicht genau.«
Nin-Si nickte: »Wir wurden aus unserer Zeit gerissen und auf dieses Schiff gebracht, wo wir nun seine Gefangenen sind.«
Neferti rutschte nahe an Simon heran und sprach so leise zu ihm, dass Simon sie kaum verstand: »Er ist ein Wesen, das mit keinem anderen vergleichbar ist.«
Auch Nin-Si setzte sich näher zu den beiden. »Er ist mächtig«, flüsterte sie. »Mächtiger als alles, was dir bisher begegnet sein wird. Selbst im dritten Jahrtausend wird es nichts geben, das es mit ihm aufnehmen kann.«
»Seine Kraft ist unendlich«, ergänzte Basrar. »Und sein Zauber ist stark. Niemand kann ihm entrinnen. Nicht hier und auch nicht in einer anderen Zeit.«
»Er hat uns in seiner Hand«, erklärte Moon, und er bemühte sich, ebenso wie die anderen, seine Stimme nicht zu laut werden zu lassen. Sie saßen so eng beieinander, dass Simon den Atem der anderen spüren konnte. Alle hatten die Köpfe vorgeneigt aus Angst, auch nur eines ihrer Worte könnte aus dem Kreis der Gruppe hinaus den Weg finden zu dem, über den flüsternd berichtet wurde.
»Er hat uns in der Hand«, wiederholte Moon. »Und er wird uns erst freilassen, wenn er sein Ziel erreicht hat.«
Basrar stimmte ihm zu. »Sein Ziel: durch die Zeit für die Zeit. Für eine neue Zeit: seine Zeit.«
Simon schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das alles nicht«, brummte er. »Ich …« Er blickte in die Runde: »Wer ist es? Wer ist er? Wer hält euch gefangen? Sagt mir seinen Namen!«
»Seinen Namen?« Die anderen zogen ihre Köpfe erschrocken zurück.
Nur Basrar kam jetzt noch dichter an Simon heran. So dicht, dass sich die Nasen der beiden Jungs beinahe berührten. Und es schien Simon, als ob er den Karthager eher denken als sagen hörte: »Er ist der Fürst zwischen den Welten.«
Seltsam, wieder wirkte Basrars Stimme so fremd und monoton, fand Simon. »Er ist der Herrscher der Zeit und der Wächter der Seelen. Er ist der Albtraum in der Nacht und der Schrecken des Tages. Er ist der Gedanke, der dich aufschrecken lässt.«
Kaum hörbar fügte er hinzu: »Du willst seinen Namen wissen? Er wird dir nicht gefallen. Er ist – der Schattengreifer.«
In dem Moment bebte das gesamte Schiff erneut und Simon gefror bei diesen Worten das Blut in den Adern. Simon blickte Basrar noch immer fest in die Augen.
Die Worte des Karthagers schienen Simons Innerstes zu durchfluten.
»Schattengreifer?«, hörte er sich flüstern.
Basrar nickte. Er rutschte wieder zurück an seinen Platz im Kreis der Gruppe. Der junge Karthager wirkte jetzt lebhafter und sprach nun mit seiner normalen Stimme weiter: »Der Schattengreifer ist ein Reisender durch die Zeit«, erklärte er. »Mit diesem Schiff – dem Seelensammler, wie er es nennt – sucht er eine Epoche nach der anderen auf. Mit diesem Schiff und mit seiner Mannschaft. Mit uns – seinen Zeitenkriegern.«
Bevor Simon ihm antworten konnte, zeigte Neferti in die Runde. »Das ist
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