Die Zeitensegler
verletzen wollen. Sieh doch nur, wie verwirrt er ist.«
Sie drehte sich zu Simon um und sagte: »Mein Name ist Neferti. Ich stamme aus Ägypten, aus dem königlichen Geschlecht des Echnaton.«
»Echnaton? Der Pharao? Ja, aber … das muss doch über dreitausend Jahre her sein, wenn nicht sogar …«
»Ich bin eine seiner vielen Großnichten. Mein Vater war der Verwalter seiner Herden in Amarna.«
Ägypten. Karthago. Simon schwirrte der Kopf. »Das kann doch alles nicht wahr sein. Das ist doch verrückt …«
»Es ist so unglaublich wie deine Aussage, dass du aus dem dritten Jahrtausend kommst, nicht wahr?«, erwiderte der Indianerjunge.
Auch er trat jetzt näher an Simon heran. »Glaub mir«, versuchte er Simon zu beruhigen. »Keiner von uns konnte am Anfang glauben, was mit uns hier auf diesem Schiff geschehen ist. Wir alle standen ebenso ratlos da wie du gerade.«
Simon spürte, wie sich bei diesen Worten alles in ihm sträubte. Er wollte nicht glauben, was er hier zu hören bekam! Trotzdem fragte er den Jungen, der ihn vorhin so neugierig angesehen hatte: »Und wer bist du?«
»Ich heiße Salomon«, lächelte der und zupfte seine schwarze Weste zurecht. »Und ich bin nach deiner Zeitrechnung 1334 geboren.«
»1334!« Ruckartig drehte sich Simon jetzt zu dem Jungen um, den er als Indianer einschätzte. »Und du?«
»Nenn mich einfach Moon. Ich komme vom Stamme der Lakota, aus der Zeit, die du das 19. Jahrhundert nennst.«
Schließlich zeigte Simon auf das orientalische Mädchen. »Und du?«
»Nin-Si«, war die knappe Antwort. »Ich komme aus einer Zeit, die sehr, sehr lange vor der deinen liegt. Ich stamme aus der ersten Dynastie in Ur.« Sie machte eine Pause und fügte langsam hinzu: »Über 4000 Jahre, bevor du geboren wurdest.«
»4000 Jahre.« Simon blickte fassungslos in die Runde. In die Gesichter dieser Jugendlichen, die so, wie sie da waren, eigentlich gar nicht vor ihm stehen konnten!
»Ich glaube das einfach nicht!«, flüsterte er und trat einige Schritte zurück. Dabei stieß er mit dem Fuß gegen den Eisenring der Bodenluke, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts zu Boden.
Die fünf kamen langsam auf ihn zu.
»Geht weg!«, brüllte Simon. »Geht weg. Das alles kann doch gar nicht sein, das ist doch Wahnsinn!«
Neferti, das ägyptische Mädchen, reichte ihm beide Hände. »Komm, steh auf. Es ist so, wie Moon es gesagt hat: Auch wir haben das alles erlebt, was du gerade durchmachst. Lass dir helfen.«
Simon sah unsicher zu ihr auf. Konnte er ihr trauen? Konnte er irgendjemandem hier trauen? Oder spielten sie nur ein Spiel mit ihm?
Das Mädchen lächelte ihm zu: »Komm!«
Schließlich gab Simon nach. Was hätte er sonst auch tun sollen? Er griff nach den Händen der Ägypterin und ließ sich auf die Beine helfen. Er hatte keine andere Chance. Er musste sich auf diese Gruppe einlassen und ihnen vertrauen. Erst einmal zumindest …
Seine Finger griffen nach der Krähe auf seiner Schulter.
Er zog sie zu sich herunter und umklammerte den Kopf.
Mit den Handballen drückte er die Flügel fest gegen den kleinen Vogelkörper.
Die Krähe zuckte. Sie versuchte, sich zu wehren.
Er führte die Krähe nahe an sein Gesicht heran, so nahe, dass ihre Schnabelspitze beinahe sein Gesicht berührte.
Dann schaute er dem Vogel tief in die Augen und in diesem Moment gab die Krähe ihren Widerstand auf und blickte starr in die schwarzen Augen ihres Gegenübers.
Magische Formeln wurden geflüstert.
Wieder und wieder.
Noch einmal wand sich die Krähe in dem engen Griff, dann durchzuckte es den Menschenkörper plötzlich heftig.
Er richtete sich auf und sackte im nächsten Moment völlig in sich zusammen.
Die dürren Finger spreizten sich. Die Krähe war frei und flog davon.
Der Mensch warf sich auf die Erde, er krümmte sich und stieß Schreie aus.
Spitze Schreie, welche die Stille der Nacht durchschnitten.
Sein Gesicht verformte sich. Die Augen rückten eng zueinander, Mund und Nase wurden eins, bis sie zusammen einen spitzen Schnabel bildeten.
Aus dem Körper des Mannes stachen winzige schwarze Spitzen hervor, die sich in die Länge zogen und schließlich zu Federn formten. Mehr und mehr.
Sie überdeckten bald die gesamte Haut.
Arme wurden zu Flügeln, Finger zu Federn, Zehen zu Krallen.
Noch einmal ein lang gezogener Schrei, dann saß der Mann als riesige Krähe auf der Erde.
Der Zauber hatte gewirkt.
Wieder einmal.
Nun, als schattenhafter, schwarzer Vogel, konnte er den Übergang wagen.
Den
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