Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
Vom Netzwerk:
fragte der Junge und gab sich die Antwort gleich selbst. »Natürlich sind sie das. Ohne gültige Papiere wären sie nicht da. – Was treibt ihr aber dann hier, obwohl ihr nichts über uns wißt?«
    »Schieß los!« sagte Charles Wallace. »Sag uns, was wir erfahren wollen.«
    »Seid ihr etwa Prüfbevollmächtigte?« erkundigte sich der Junge. Jetzt war er ein wenig ängstlich geworden. Und rasch leierte er einen offenbar eingelernten Text herunter: »›Es ist allgemein bekannt, daß unsere Stadt das beste Zentrale Nachrichtenwesen des Planeten aufweist. Wir haben auch die höchsten Produktionsziffern. Unsere Fabriken schließen nie ihre Tore; unsere Maschinen kommen nie zum Stillstand. Darüber hinaus verfügen wir über fünf absolut systemkonforme Dichter, einen Musiker, drei Maler und sechs Bildhauer‹.«
    »Was zitierst du da?« fragte Charles Wallace.
    »Das Handbuch natürlich«, sagte der Junge. »›Keine andere Stadt unseres Planeten zeigte eine so hohe Gleichschaltungsrate wie die unsere. Seit Jahrhunderten sind keine störenden Zwischenfälle aufgetreten. Ganz Camazotz kennt und schätzt unsere Leistung. Aus diesem Grunde wurde unsere Stadt zur Hauptstadt bestimmt. Aus diesem Grund wurde der ZENTRALE Zentrale Nachrichtendienst hier angesiedelt. Aus diesem Grunde hat ES sich hier niedergelassen.‹«
    Die Art und Weise, in der der Junge das Wort »ES« aussprach, ließ Meg einen Schauder über den Rücken jagen.
    Charles Wallace hingegen gab sich unbeeindruckt. »Wo ist denn euer Zentraler Nachrichtendienst?« wollte er wissen. »Genau dorthin wollen wir.«
    »Der ZENTRALE Zentrale Nachrichtendienst!« stellte der Junge richtig. »Geht nur immer geradeaus; ihr könnt ihn nicht verfehlen. – Ihr seid aber wirklich fremd hier!« sagte er erstaunt. »Was wollt ihr bei uns?«
    »Bist du berechtigt, Fragen zu stellen?« erkundigte sich Charles Wallace in drohendem Ton.
    Der Junge erblaßte, so wie zuvor die Frau erblaßt war. »Ich bitte vielmals um Vergebung!« sagte er. »Und ich bitte, jetzt weiterfahren zu dürfen, sonst komme ich aus dem Zeittakt und muß mich beim Erläuterer verantworten.« Und schon sauste er auf seinem Rad davon.
    Charles Wallace starrte ihm nach. »Was war das?« fragte er Meg und Calvin. »Hatte er nicht eine höchst sonderbare Art zu sprechen? So, als … als ob er nicht selbst reden würde, sondern … Wißt ihr, was ich meine?«
    Calvin nickte nachdenklich. »Höchst sonderbar, das stimmt. Sonderbar und komisch. Nicht nur, wie er das alles gesagt hat. Die ganze Sache stinkt.«
    »Nun kommt schon!« Meg zerrte sie weiter. Wie oft mußte sie die beiden noch vorantreiben? »Wir müssen endlich Vater finden. Er wird uns alles erklären.«
    Sie machten sich wieder auf den Weg. Einige Häuserblocks weiter kamen ihnen allmählich Menschen entgegen, Erwachsene, keine Kinder. Die Straße belebte sich. Die Menschen nahmen überhaupt keine Notiz von ihnen oder voneinander; sie schienen ausschließlich ihren eigenen Geschäften nachzugehen. Einige betraten die Wohnblocks, die meisten schlugen aber dieselbe Richtung ein wie die drei Kinder. Wenn sie aus den Nebengassen in die Hauptstraße einbogen, machten sie dabei eine seltsam automatische Wendung und schritten dann völlig gleichmäßig weiter – entweder, weil sie ganz in ihre Gedanken versunken waren, oder weil ihnen der Weg so vertraut war, daß sie ihm keine Beachtung schenkten.
    Nach kurzer Zeit machten die Wohnblocks großen Geschäftshäusern Platz, hoch aufragenden, nüchternen Gebäudekomplexen mit riesigen Portalen. Männer mit Aktenmappen gingen ein und aus.
    Charles Wallace trat auf eine Frau zu und sagte höflich: »Entschuldigen Sie, würden Sie uns bitte sagen, wie wir … ?« Aber sie würdigte ihn keines Blickes und setzte stumm ihren Weg fort.
    »Schaut!« rief Meg. Vor ihnen öffnete sich ein großer Platz, und dahinter ragte das höchste Gebäude auf, das sie je gesehen hatten; ein Wolkenkratzer von enormen Ausmaßen und beinahe so breit wie hoch.
    »Das muß es sein«, sagte Charles Wallace. »Die ›ZENTRALE Zentrale‹. Gehen wir hinein.«
    »Vorsicht!« warnte Meg. »Vater ist offenbar auf Camazotz in Schwierigkeiten geraten. Sollten wir daher nicht gerade diesen Ort meiden?«
    »Hast du einen besseren Vorschlag, wie wir ihn finden können?« fragte Charles Wallace seinerseits.
    »Jedenfalls würde ich mich nicht dort nach ihm erkundigen.«
    »Wer sagt denn, daß ich gleich mit der Tür ins Haus fallen will?

Weitere Kostenlose Bücher