Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
denen der Lacus Asphaltites lag, stieg die Sonne als roter Feuerball auf.
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Rechts des Rheins
Östlich von Colonia
Mochte der Rhein auch durch die seit Wochen herrschende Wärme ungewöhnlich wenig Wasser führen und dadurch viel von dem mächtigen Anblick, den er sonst bot, eingebüßt haben, er blieb dennoch die Grenze zwischen zwei gänzlich verschiedenen Welten. Westlich des Stroms dominierten nach wie vor die Hinterlassenschaften des Imperiums. Die Städte waren umgeben von den steinernen Mauern, die vor vierhundert oder mehr Jahren unter der Aufsicht römischer Baumeister errichtet worden waren, fränkische Adlige lebten auf ihren Gütern in Villen nach römischer Art, die Menschen beteten in Kirchen, die zu Zeiten der Caesarenherrschaft entstanden waren, und die Soldaten versahen ihren Dienst in Lagern, die einst die Kohorten und Legionen des Imperiums beherbergt hatten oder doch wenigstens ihrem Vorbild folgten. Das Straßennetz des Weltreiches, von den Franken für wichtig genug erachtet, um brauchbar instand gehalten zu werden, überzog mit seinen steingepflasterten Bahnen noch immer die Landschaft.
Aber das alles ließ man hinter sich, wenn man bei Colonia mit einem der breiten, flachen Fährboote den Fluss überquert hatte. Das Gebiet auf der anderen Seite hatte vor Jahrhunderten nur eine flüchtige Episode römischer Herrschaft erlebt, zu kurz und oberflächlich, um in dem wilden Land dauerhafte Spuren der Zivilisation zu hinterlassen. Hier gab es keine befestigten Straßen, auf denen Händler und Reisende zogen. Die Franken hätten sicherlich welche bauen können, sie besaßen sowohl das Wissen als auch die Mittel; doch es wäre sinnlos gewesen, denn Städte, die die Straßen miteinander hätten verbinden können, existierten dort nicht. Über viele Generationen bestand das fränkische Territorium rechts des Rheins nur aus einem Landstreifen von wenigen Meilen Breite, dahinter begannen die endlosen, dunklen Wälder und Moore Sachsens, in denen die Heiden hausten. Es verliefen keine Handelswege östlich des Rheins, und es zog die Menschen auch nicht in diese unwirtliche Gegend am Rande der Wildnis. So konnten keine größeren Siedlungen entstehen, das Land blieb dünn bevölkert und kaum erschlossen. Der einzige Verkehrsweg von Bedeutung war der Heerweg, der erst kurze Zeit bestand. Sächsische Gefangene hatten ihn nach der Unterwerfung ihres Landes anlegen müssen, indem sie Schneisen in die undurchdringlichen Wälder geschlagen hatten; einen breiten Pfad, der über aufgeschüttete Dämme durch die Sümpfe lief und sich über die Höhenrücken schlängelte. Der Heerweg war die wichtigste Lebensader für die fränkische Herrschaft im immer noch unruhigen Sachsen, er zog sich von Deutz am Rhein bis nach Bardowick an der Elbe. Auf ihm marschierten die fränkischen Soldaten, rollten die langen Kolonnen schwer mit Nachschub beladener Ochsenkarren und kamen die Missionare, die Karl ausschickte, um seine Version des nicaeischen Glaubens zu verbreiten und die Sachsen zur Botschaft der Gnade und Liebe zu bekehren, notfalls unter Androhung des Todes durch Erhängen.
Andreas und Franklin näherten sich der unsichtbaren Linie, wo das Frankenreich an Sachsen grenzte, zu erahnen nur durch einen kleinen Militärposten, wo der Heerweg in der Schwärze des Waldes verschwand. Das Lager war vollkommen nach römischer Art angelegt, von einer hölzernen Palisade gekrönte Erdwälle bildeten einen rechteckigen Grundriss. Vor dem Haupttor standen mehrere Soldaten am Straßenrand Wache, trotz der Hitze in voller Rüstung mit Kettenhemden. Ein Unteroffizier trat vor und ließ die beiden Reiter durch ein Handzeichen haltmachen.
»Ihr wollt nach Sachsen?«, fragte er, ohne Zeit auf eine Begrüßung oder andere Höflichkeiten zu vergeuden.
»Ja«, antwortete Andreas, »oder ist es verboten?«
»Nein, das zwar nicht, aber gefährlich. Ich würde Euch raten, hier zu warten, bis ein bewachter Wagenzug kommt, dem Ihr Euch anschließen könnt.«
Franklin schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind in Eile. Wir danken Euch, aber so viel Zeit haben wir nicht.«
»Wie Ihr meint«, entgegnete der Unteroffizier schulterzuckend, und in seinem Gesichtsausdruck spiegelten sich die unausgesprochenen Worte: Wenn Ihr so wahnsinnig seid, es ist ja nicht mein Leben.
Er ging zurück auf seinen Posten, und Andreas und Franklin trieben ihre Pferde an. Kurz darauf hatte der dunkle Tannenwald sie
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