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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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übernehmen, war schon recht schlimm, wenn auch nicht gänzlich unerwartet. Aber er schien überdies aus Gründen, die dem General unbekannt waren, ausgesprochen erbost zu sein, und das machte die Situation wirklich gefährlich. In diesem Zustand mochte er aberwitzige Entscheidungen treffen, und jeder Versuch, ihn davon abzubringen, konnte einen Wutausbruch provozieren, dessen Ergebnis gewiss mindestens eine sofortige Hinrichtung wäre.
    »Sind die Römer schon da?«, fragte Ardashir den General unwirsch.
    »Nein, mein Prinz. Wir erwarten ihr Erscheinen jedoch jeden Augenblick.«
    Als wäre dies das verabredete Stichwort gewesen, ertönte genau in diesem Moment der Ruf eines Spähers, der auf einem etwas höher gelegenen Felsvorsprung postiert war. Alle Augen richteten sich umgehend nordwärts, und tatsächlich war dort am anderen Ende der Ebene eine Staubwolke zu sehen, die von einer bedeutenden Zahl von Menschen herrühren musste.
    »Also ist es so weit«, sagte Meh-Adhar, »es beginnt. Bahram, sobald die Römer das nördliche Flussbett erreicht haben, soll das erste Signal gegeben werden, auf dass sich die Männer vorbereiten. Ich denke, dass der Gegner dann auch seine Kampfformation einnehmen wird. Wenn sie kurz vor dem anderen Fluss sind, wird das zweite Signal gegeben. Ich erwarte, dass dann alle Einheiten ihre neuen Positionen sofort und ohne Zwischenfälle einnehmen.«
    Bahram bestätigte den Befehl, und Meh-Adhar wartete darauf, dass der Prinz irgendetwas sagen würde. Doch Ardashir starrte nur böse grinsend in die Ferne, wo die Legionen unter einer Wolke gelblichen Staubs näher krochen. General Meh-Adhar atmete tief ein und versuchte, seine Unruhe zu unterdrücken. Er hatte schon in zahllosen Schlachten gekämpft, und trotzdem war er noch immer nervös, wenn der Moment des Zusammenstoßens der Armeen näher rückte; dann schien ihm die Zeit zu gerinnen, als würde die Welt um ihn herum in Erstarrung fallen. Und gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass der Augenblick, in dem der erste Soldat tot niederfiel und sein Blut über den Boden verspritzte, mit gnadenloser Schnelligkeit heraneilen würde. Dieser Moment war es, den er am meisten fürchtete, weil es von da an kein Zurück mehr gab und das Töten unabwendbar war. Doch alle Nervosität verflog stets, sobald ein Gefecht seinen Anfang genommen hatte und sich alle Sinne in unendlicher Konzentration zu vereinen gezwungen waren, um das komplexe Geschehen auf dem Schlachtfeld mit seinen unzähligen, chaotisch anmutenden Zusammenhängen im Blick behalten zu können.
    Die Distanz machte es Meh-Adhar schwer, Details wahrnehmen zu können, aber er erkannte nun schon klar und deutlich, dass das Heer der Römer gleich das nördliche Flussbett erreichen würde, und jetzt lösten sich auch die Blöcke der einzelnen Kohorten sichtbar aus dem Schleier des Staubs. Nun mussten die Römer auch seine Armee erblickt haben und glauben, sie seien auf die ungeschützte Nachhut gestoßen. Alles nahm seinen unumkehrbaren Lauf.
    »Jetzt!«, sagte der General, und Bahram gab den Hornisten ein Zeichen. Sie hoben ihre langen, blank polierten Kupferhörner und ließen einen gedehnten, klagenden Ton erklingen, der sich über die ganze Ebene ausbreitete. Die Römer würden ihn gewiss auch hören, aber das war nicht von Bedeutung, denn Hornsignale waren zu erwarten bei einer Truppe, die sich zum Aufbruch vorbereitete.
    Die vordersten Reihen der römischen Einheiten hatten das Flussbett durchquert und stiegen auf der anderen Seite die Böschung hinauf, hinter ihnen folgten ohne Verzögerung die nächsten durch die Senke und erweckten so für den Betrachter aus der Ferne den Anschein einer sich durch die Kolonnen nach hinten fortsetzenden Wellenbewegung. Jetzt war auch das Schimmern einzelner Helme und Schildbeschläge erkennbar, und die Gestalten der Offiziere zu Pferde mit ihren roten Helmbüschen begannen, für die Beobachter der Vorgänge am Felsen von Massada deutlich sichtbar zu werden. Das Manöver, das die Legionen nun ausführten, war ein prachtvolles Schauspiel und für Meh-Adhar aller Bewunderung würdig. Noch während die nachfolgenden Einheiten das Flussbett durchschritten, lösten sich vor ihnen bereits die Blöcke der Kohorten auf, um sich zu ihren Kampfformationen zu ordnen, und das aus der Vorwärtsbewegung heraus, ohne das Marschtempo erkennbar zu verringern. Die gleichmäßig wogende Masse der Römer schien zu fließen, als sei sie ein zähflüssiger, aufgewühlter

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