Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
Karfreitagsgottesdienst in der Peterskirche unablässig grinste.
»Diese Landschaft ist phantastisch«, sagte Franklin, und Andreas fühlte sich in seinen Gedankengängen bestätigt. »Du wirst es nicht glauben, aber ich kenne die Gegend hier. Als ich während meines Studiums zwei Jahre in Heidelberg – na, das wird dir nichts sagen. Jedenfalls bin ich die Via Aurelia entlang nach Rom gefahren. Wunderbar, dieses Panorama. Links steigen in der Ferne die sanft gewellten Hügel an, rechts die Küstenebene … allerdings sieht das zu meiner Zeit ein bisschen anders aus.«
»Wirklich?«, erwiderte Andreas knapp. Er hoffte, durch die schroffe Kürze Franklin dazu bewegen zu können, sein munteres Geplauder ein wenig zu dämpfen, aber der Versuch blieb fruchtlos.
»Ja, echt. Ich bin überrascht, wie nah das Meer ist. Im zwanzigsten Jahrhundert hat sich die Küstenlinie bestimmt ein, zwei Meilen nach draußen vorgeschoben.«
Andreas atmete tief durch. Momentan beschäftigten ihn andere Dinge, und die Frage, wie sich die Gestalt der Landschaft über die Jahrhunderte verändern mochte, erschien ihm völlig belanglos; dies umso mehr, als es sich um das Erscheinungsbild in einer Zeit und Welt handelte, die er gewiss nie zu Gesicht bekommen würde. Die Vorgänge in seiner eigenen Welt hatten für ihn Vorrang.
Plötzlich fragte Franklin überraschend: »Was ist denn das hier?«
Andreas blickte sich um, sah aber nichts außergewöhnliches. Ringsumher erstreckte sich die von knochentrockenem, bräunlichem Gras bedeckte Ebene, und weder herausragende Gebäude noch besondere Landschaftsmerkmale, auf die sich Franklins Frage hätte beziehen können, waren erkennbar.
»Was meinst du?«, entgegnete Andreas verwirrt.
»Na, das alles hier. Was sind das für große Flächen voller Gräben auf beiden Seiten der Straße?«
»Das sind Reisfelder«, antwortete Andreas irritiert. »Sag bloß, du kennst keinen Reis?«
»Natürlich kenne ich Reis. Aber ich hatte keine Ahnung … seit wann wird denn bei euch Reis angebaut?«
»Frag mich nicht. Ich glaube, seit etwa zweihundert Jahren. Aber diese Felder liegen schon seit Jahren trocken, wie du wohl sehen kannst. Der Reis wollte hier nicht gedeihen, die Ebene des Flusses Padus im Norden hat sich als weitaus geeigneter erwiesen.«
Franklin nahm die Erklärung mit einem Kopfnicken auf und sagte dann für eine ganze Weile zu Andreas’ großer Erleichterung nichts. Erst als sie den südlichen Rand der ehemaligen Reisfelder erreicht hatten, erregte ein wasserloser Kanal, der sich schnurgerade von den Hügeln kommend in Richtung Meer zog, das Interesse des Zeitreisenden. Die mit Stein verkleidete Rinne war nicht mehr als fünf Fuß tief, dafür aber gut zehn Schritte breit; zwischen den Steinquadern der senkrecht abfallenden Seitenwände und des Bodens wuchsen gelbliche Grasbüschel, Unkraut und sogar kleine Büsche in den Fugen.
»Ich nehme mal an, damit wurden die Felder früher unter Wasser gesetzt?«, sagte Franklin, als sie den Kanal auf einer Brücke überquerten.
»Ja, stimmt. Er führt zum Lacus Sabatinus oben in den Hügeln. Da oben soll es sogar noch das große Stauwehr geben, mit dem man früher das Wasser vom Fluss Aro in den Kanal umgeleitet hat. Ich habe mal gehört, dass das Grabennetz, das die Felder durchzieht, so geschickt geplant ist, dass man damals die ganze Ebene in wenigen Stunden überschwemmen konnte. Aber was nützt das schon, wenn hier kaum etwas wachsen will? Ach, ich bitte dich! Verschone mich! Das ist nun wirklich nicht die Zeit, um sich über Landwirtschaft zu unterhalten.«
»Nur eine Frage noch«, sagte Franklin. »Der Hafen von Rom, das ist doch Portus Augusti, nicht mehr Ostia, oder?«
Andreas hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Franklin in seinen Gedanken Sprünge von einem Thema zum nächsten vollführte, die nur schwer nachvollziehbar waren. Doch der überraschende Wechsel vom Reisanbau zum Seehafen Roms war ganz schön verwirrend. »Portus Augusti? Ach, du meinst Portus Romae, auf der Nordseite der Tibermündung? Natürlich ist das der Hafen. Die großen Schiffe mit dem Getreide aus Africa, von dem Rom lebt, könnten doch im völlig versandeten Hafenbecken von Ostia gar nicht mehr anlegen. Dort laufen nur noch die flachen Fischerboote und Flusskähne ein. Und jetzt bitte ich dich zum letzten Mal, mich mit diesen sinnlosen Kleinigkeiten zu verschonen. Mir gehen ganz andere Dinge im Kopf herum.«
»Ja … mir auch«, murmelte Franklin. Es
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