Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
die Kommandeure und Unteroffiziere der Infanterie hatten das Signal dennoch richtig verstanden.
Die langen Reihen des fränkischen Fußvolkes kamen eisenklirrend in Bewegung, dem Zentrum des Römerheeres entgegen.
»Sie umgehen uns!«, rief Vivilo erstaunt aus. Und tatsächlich, die fränkische Kavallerie hatte die Flanken der römischen Armee ignoriert und strebte nun auf beiden Seiten dem Kanal entgegen. Niemand konnte sich erklären, was die Franken damit bezwecken mochten. Den Kanal zu überqueren, konnten sie nicht hoffen, denn die hölzernen Behelfsbrücken waren vor der Schlacht ohne Ausnahme wieder entfernt worden. Die Hilfstruppen, die die Straßenbrücke schützten, wurden unruhig und machten sich auf die Verteidigung des Übergangs gefasst.
Rufus Scorpio, der immer noch vom höchsten Punkt der Brücke aus alles verfolgte, wurde von seinen Begleitern gedrängt, diesen gefährlichen Ort zu verlassen. Doch er wies alle diese Versuche zurück. Er spürte, dass die Franken ein anderes Ziel hatten.
Und sein Gefühl trog ihn nicht. Die Panzerreiter setzten sich hinter das Heer und sammelten sich am Ufer des Kanals, wo sie sich im Rücken des römischen Zentrums zum Angriff formierten.
Marcus Aventinius konnte es kaum fassen. »Sie sind wahnsinnig! Sie haben weniger als siebzig Schritt Abstand zu uns, wie wollen sie auf diese kurze Entfernung ausreichend Schwung für eine Attacke erlangen? Das ist doch Irrsinn!«
Die Franken würden mit geringer Geschwindigkeit und daher wenig Wucht auf die Legionäre der schweren Kohorten treffen, die sich bereits umgewandt hatten, ihre Schilde vor sich in Stellung brachten und die Speere senkten. General Aventinius war auch nicht entgangen, dass das fränkische Fußvolk nun gleichfalls vorrückte. Doch es würde noch einen langen Weg zurücklegen müssen, ehe es in den Kampf eingreifen konnte. Alle Aufmerksamkeit galt vorerst den Panzerreitern, die sich jetzt vollständig formiert hatten und sich nun in Bewegung setzten.
Marcus Aventinius sah, dass er ihren kraftlosen Stoß in den Rücken der schweren Kohorten nicht würde verhindern können, aber er wusste, dass sie dann festsitzen würden. Diese Gelegenheit durfte man nicht ungenutzt verstreichen lassen; er rief seine Ordonnanzen herbei und gab ihnen in aller Eile knappe, aber exakte mündliche Befehle für die Kommandeure der Einheiten an den Flügeln. Die Reiter preschten sofort davon, und der General atmete in Erwartung der Dinge, die nun folgen würden, tief ein. Ein kaum erkennbares Lächeln formte sich in seinen angespannten Gesichtszügen, und er sagte so leise, dass niemand sonst es hören konnte, zu sich selbst: »Es sieht aus, als würde Cannae sich nun wirklich wiederholen … aber wo steht geschrieben, dass bloß die Feinde Roms diesen Weg gehen dürfen?«
Die Panzerreiter hätten bemerken müssen, dass die geringe Distanz zu den Römern keinen Angriff zuließ, der nicht in eine Katastrophe geführt hätte. Doch sie hatten ihre Befehle, die sie ausführen würden, alles andere wäre ihnen nie in den Sinn gekommen. Also brachten die Männer der vordersten Reihe ihre Lanzen in die Horizontale, dann ließen die Franken ein dröhnendes Carolus! erschallen, bevor sie ihren Pferden die Sporen gaben und zur Attacke ansetzten.
Noch während sie näher kamen und dabei nur wenig an Geschwindigkeit gewannen, hatten Aventinius’ Befehle ihre Empfänger erreicht, und die Flügel der römischen Armee begannen sich wie zwei gewaltige Scharniere auf die Franken zuzubewegen, die davon keine Notiz nahmen. Das Ziel der Panzerreiter war das Zentrum der Römer, was links und rechts von ihnen geschah – mochte es auch noch so verhängnisvoll sein –, war ihnen gleich.
Dann, als ihre Pferde gerade erst den leichten Trab erreicht hatten, stießen ihre Lanzen in die Wand der dicht an dicht nebeneinanderstehenden römischen Schilde. Hier und dort rissen sie kleine Lücken in die vorderste Linie der Römer; Legionäre schrien auf, weil die eisernen Lanzenspitzen ihre Schilde durchdrangen und sich in ihre Körper bohrten. Doch damit war die schwache Wirkung des Zusammenpralls bereits verflogen. Nirgendwo gelang es den Franken, tief in die Linien ihrer Gegner einzubrechen oder sie merklich zurückzudrängen; nirgendwo entstand Unordnung oder gar Panik. Und von hinten drängten die nachfolgenden Reihen der Panzerreiter nach und drückten ihre schon zum Stillstand gezwungenen Kameraden in die Speere der Legionäre, die
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