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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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dabei sah er etwas, das ihm vorher noch nicht aufgefallen war: Über der Kaminöffnung war in Rot und Schwarz ein Ornament auf die Steine aufgemalt, das bei näherem Hinsehen als Darstellung bizarr verrenkter, grotesker Fabelwesen erkennbar wurde. Unter anderem konnte Andreas eine monströse Echse ausmachen, die am Fuße eines wuchernden Baumes zu lauern schien, ihr Maul klaffte weit offen. Unlösbar verstrickt in die Ranken und anderen Figuren waren auch menschliche Gestalten zu sehen, die mit den unterschiedlichsten Attributen versehen waren.
    Andreas stockte der Atem und er spürte, dass sein Hals sich verengte: Es waren heidnische Dämonen, die ihr Unwesen auf den Steinen trieben.
    Er riss den Kopf herum und starrte mit entsetzt aufgerissenen Augen Gisela an.
    Gott! Sie ist eine Heidin! Vielleicht sogar eine Hexe!
    Seine Reaktion schien sie nicht zu überraschen. Im Gegenteil, als wäre sie darauf vorbereitet gewesen, sagte sie im freundlichsten Plauderton: »Nein, dieses Wort gefällt mir nicht … ich ziehe die Bezeichnung ›Weise Frau‹ vor. Das hat etwas Respektables, findest du nicht auch?«
    Andreas wusste nicht mehr ein noch aus. Er hätte aus dem Stuhl aufspringen und fortlaufen wollen, aber er konnte nicht, als ob er an einem Felsen festgekettet gewesen wäre.
    »Ihr … Ihr habt meine … Gedanken …« stammelte er tonlos.
    »Gewiss, Andreas Sigurdius. Es gelingt mir längst nicht bei allen Menschen, du darfst dich also als jemand Besonderes betrachten. Oh, du bist verängstigt, das sehe ich dir auch ganz ohne Hilfe meiner Kräfte an. Aber du hast keinen Grund, dich zu fürchten. Ich habe nicht vor, dir Schaden zuzufügen.«
    »Warum habt Ihr mich hergelockt?«
    »Das habe ich nicht. Du bist von selbst gekommen, ich habe es nur vorhergesehen. Eine meiner bescheidenen Fähigkeiten. Aber damit du mich recht verstehst, es ist kein Zufall, dass du hier bist. Ich weiß nicht, was dich hergeführt hat, nur, dass es ungemein bedeutend sein muss. Ich spüre es, du stehst in Verbindung mit einer großen, unfassbaren Kraft.«
    Andreas hörte die Worte, ohne dass er ihren Sinn verstehen konnte. Für ihn stand nur fest, dass er sich in den Händen einer heidnischen Zauberin befand, die gewiss furchtbare Dinge mit ihm vorhatte.
    Ihre Augen! Das muss es sein! Ihr Blick ist es, mit dem sie mich kontrolliert! Ich darf sie nicht ansehen!
    Hektisch riss er den Kopf herum, um den Blick von ihr zu lösen, und sah dadurch etwas, das ihn nur noch mehr verwirrte: An der Wand hing ein hölzernes Kruzifix mit einer silbernen Figur des leidenden Jesu.
    Andreas hatte seine Furcht vor der Kraft ihrer Augen vollkommen vergessen, verstört und ratlos sah er Gisela an.
    Sie ahnte, welche Frage er stellen wollte, aber nicht herausbekam. »Du bist überrascht, hier eine Darstellung des Gekreuzigten zu finden?«, sagte sie sanft. »Doch es ist richtig so, denn Er ist mächtiger.«
    »Das heißt … Ihr seid gar keine … Ihr seid Christin?«
    Sie nickte. »Und nun, da du weißt, dass du dich nicht in den Fängen einer blutrünstigen, von Dämonen besessenen Heidin befindest, die dich erst um dein Seelenheil bringen und dann ihren grausamen Götzen opfern will, wirst du dich vielleicht ein wenig beruhigen. Du befindest dich im Hause einer Weisen Frau, und ich weiß nicht wirklich, warum du hier bist. Ich fühle nur, dass es einen tieferen Sinn hat.«
    Andreas’ Aufregung legte sich tatsächlich, und er konnte wieder zusammenhängend denken. Er war jetzt überzeugt, dass ihm von Gisela zumindest keine unmittelbare Gefahr drohte, und versuchte, noch mehr von ihr zu erfahren. »Ich hatte keine Ahnung, dass es noch Hex… Weise Frauen im Frankenreich gibt. Seid Ihr denn viele?«
    Zum ersten Mal wurde Giselas Gesicht ernst, fast traurig. »Nein, wir sind verschwindend wenige. Die meisten von uns sind über die Jahrhunderte dem rasenden, fanatischen Eifer derer, die sich für christlich halten, zum Opfer gefallen. Und die Könige der Franken haben sich dabei ganz besonders hervorgetan. Sie waren verbissen bestrebt, alles auszurotten, was an Wissen und Weisheit unserer Vorfahren erinnerte, da es ihnen als heidnisch und verdammungswürdig galt, sie sahen uns als Diener des Teufels. Dieses blinde Wüten hat fast allen von uns das Leben gekostet, und nur die, die das Wissen hatten, um einen schützenden Käfig um sich zu errichten, haben überlebt.«
    Sie seufzte leise, und in den Tiefen ihres Seufzers schien Andreas eine Welt des Schmerzes

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