Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
sechshundert Jahren den vollkommenen Sieg über das Imperium herbeiführen wird. Ich nehme doch an, Ihr stimmt ihm darin zu, General?«
Der Feldherr biss sich auf die Zunge. Noch nie hatte er eine solche Demütigung hinnehmen müssen. Man hatte ihm sein Kommando entzogen, um den Sieg durch die Anwesenheit des Kronprinzen für die Nachwelt glanzvoller zu gestalten! Er hätte den Papyrus am liebsten vor den Augen des Prinzen zerrissen, aber er hielt sich mühsam zurück. Vergoldet oder nicht, beim geringsten Anzeichen des Widerspruchs hätten ihn Ardashirs Gardereiter mit ihren Lanzen in Stücke gehauen.
Also beugte er unterwürfig sein Haupt und sprach mit unhörbarem Zähneknirschen: »Die Weisheit Eures erhabenen Vaters, möge Ahuramazda ihm in Ewigkeit gewogen sein, ist unermesslich. Ich übergebe Euch sein Heer und erwarte Eure Befehle, mein Prinz.«
Ardashir nahm die Ergebenheitsbekundung des Generals mit abfälligem Wohlwollen zur Kenntnis und antwortete betont gelangweilt: »Ich habe nichts anderes erwartet. Ihr werdet mich heute Abend von Euren Plänen unterrichten. Und nun geht, ich will ruhen.«
Meh-Adhar und Bahram entfernten sich unter Verbeugungen rückwärtsgehend. Zwei Knechte brachten ihnen die Pferde, sie stiegen in die Sättel und verließen den Platz.
Sie ritten aus dem Lager, hinaus in die Ebene, bis sie nach einer Weile die Überreste eines heidnischen Tempels auf dem Plateau eines Steilufers hoch über dem Meer erreichten. Dort konnte sich der General nicht länger beherrschen, zornig sprang er vom Pferd, warf die Zügel zu Boden und schlug mit der Faust gegen eine der geborstenen Marmorsäulen.
»Nein!«, schrie er. »Nein! Nein! Das ist nicht wahr! Ich glaube es nicht! Diese Armee, die selbst ich kaum zu lenken vermag, wurde in die Hände dieses … dieses … wurde in Ardashirs Hände gelegt! Das ist Wahnsinn!«
Bahram war inzwischen auch vom Pferd gestiegen und versuchte, den General zu beruhigen. »Ihr dürft Euch nicht so aufregen. Gewiss, es ist eine Demütigung. Aber ich habe schon genug über Ardashir gehört, um zu wissen, dass er gierig nach Ruhm ist, aber die damit verbundenen Anstrengungen scheut. Er wird Euch die Armee überlassen und sich in der bequemen Rolle des obersten Feldherrn gefallen.«
Meh-Adhar ließ die immer noch gegen die Säule gepresste Faust hinabgleiten, und eine rote Blutspur blieb auf dem gebleichten Marmor zurück. Er nahm die Verletzung überhaupt nicht wahr, sondern ließ sich auf die bröckelnden steinernen Stufen sinken und starrte hinaus auf das höhnisch rauschende Meer.
9
Außerhalb Treveras
In der Villa des römischen Gesandten
Das Haus des Gesandten war für Andreas eine erfreuliche Abwechslung vom bräunlichen Einerlei der lehmverschmierten, krummen Fachwerkbauten. Es handelte sich um eine ansehnliche Peristylvilla mit Atrium und Innenhof, der als von Säulengängen eingefasster Garten gestaltet war. Man merkte dem Haus zwar an, dass es von fränkischen Handwerkern, mit römischer Architektur wenig vertraut, erbaut worden war; aber dennoch wirkte es auf Andreas wie ein auf magische Weise in diese Fremde versetztes Stück seiner heimatlichen Welt. Abseits vom Schmutz und den Gerüchen der Stadt hatte der Legat Petrus Miles seine Residenz nach seinen Vorgaben errichten lassen, und er hatte bei der Wahl des Bauplatzes ebenso viel Geschick bewiesen wie Geschmack bei der Ausgestaltung des Inneren. Für die Wandmalereien hatte er zweifellos vortreffliche Künstler aus dem Imperium kommen lassen, denn die Landschaftsbilder, mythischen Szenen mit verblüffenden perspektivischen Darstellungen waren von höchster Vollendung. Auch war im ganzen Haus nicht eines der plumpen, ungefügen Möbelstücke zu finden, die von fränkischen Tischlern gefertigt wurden. Ausschließlich feine, elegante Arbeiten römischer Werkstätten hatten Verwendung gefunden. Andreas sah einige besonders schöne bronzene Kerzenleuchter und Sessel, deren gekonnt exzentrischer Stil die Hand ägyptischer Meister erahnen ließ.
Petrus Miles selber war ein ausgesprochen charmanter Mann in fortgeschrittenem Alter. Eine deutliche Neigung zur Beleibtheit und ein schütterer weißer Haarkranz zusätzlich zu einem Gesicht mit wulstigen grauen Augenbrauen und breitem Mund verhinderten, dass er schön zu nennen gewesen wäre; doch seine Züge waren durchaus sympathisch und einnehmend offen. Nach der Begrüßung war Andreas ins Speisezimmer geführt worden, wo er nun bei einem
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