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Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)

Titel: Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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hat oder sich Freiheiten bei der Ernennung der hohen Geistlichkeit herausnimmt, dann sicher in dem Bestreben, sich zu profilieren.«
    »Und die Eroberung Sachsens?«, fragte Andreas, während Diener den Tisch abräumten und süßes Gebäck als Dessert brachten. »Soviel ich weiß, ist ihm doch bereits reichlich Kriegsruhm zuteilgeworden. Hat er nicht schon vor vielen Jahren die Sorben unterworfen und die Bretonen in Armorica besiegt?«
    Miles verspeiste eines der Küchlein und erwiderte: »Nun, das dürfte auf Karls Glaubenseifer zurückzuführen sein. Die Bretonen waren bereits Christen, von den Sorben blieben nur so wenige am Leben, dass ihre Bekehrung keine Tat von Bedeutung war. Aber in Sachsen lebten zahllose Heiden in direkter Nachbarschaft zu seinem Reich. Er war sicherlich der Meinung, die Bekehrung der Sachsen würde ihm sein Seelenheil verbürgen.«
    Andreas hätte gerne den Glaubenseifer des Königs mit den Ausschreitungen gegen die Arianer in Verbindung gebracht. Aber er wusste, dass weitere Fragen dieser Art dem Legaten auffallen würden, also ließ er das Gespräch wieder in ein unverfänglicheres Fahrwasser gleiten. Sie unterhielten sich noch längere Zeit höchst angenehm über Themen der Literatur und Kunst, und Petrus Miles ließ immer wieder Anekdoten aus seinen Erfahrungen mit den Franken einfließen. Erst spät in der Nacht verabschiedete Andreas sich vom Gesandten und ritt durch die Dunkelheit in Richtung Trevera zurück. Unterwegs dachte er über das nach, was ihm der Legat erzählt hatte.
    Seltsam. Als die Rede auf Aachen kam, hat er mir von einem Besuch abgeraten, weil es dort nichts von Bedeutung zu sehen gäbe. Warum hat er nicht erwähnt, dass ich Aachen überhaupt nicht betreten kann? Weiß er nichts von der Absperrung des Gebiets? Nein, das ist unwahrscheinlich, wo er doch bereits seit zehn Jahren hier ist. Er hat es mir bewusst verschwiegen, und ich habe beinahe das Gefühl, er wollte mir das Interesse an dem Ort nehmen. Doch warum?
    Andreas war jetzt vollkommen überzeugt, dass er das Geheimnis von Aachen lüften musste.
      
    Am nächsten Morgen wachte Andreas viel zu früh auf. Mit vor Müdigkeit schwerem Kopf und einem unangenehmen Geschmack im Mund lag er im Bett und konnte einfach nicht wieder einschlafen. Schließlich, als der erste Schimmer der Morgensonne durch das dünn geschabte Pergament des Fensters zu ahnen war, beschloss er aufzustehen. Mürrisch zog er sich an, griff den Beutel, in dem er sein Rasierzeug und die Seife aufbewahrte, und machte sich auf den Weg zum Brunnen im Innenhof.
    Als er im dunklen Gang an der Tür zu Aethelreds Zimmer vorbeikam, lag ihm ein leises Summen in den Ohren. Er schluckte kräftig, um das Geräusch zu vertreiben, aber es wollte nicht verschwinden. Und nun merkte er, dass nicht seine Ohren an dem Summen schuld waren. Es kam, kaum hörbar, aus dem Zimmer hinter der schweren Holztür.
    Andreas blieb stehen und lauschte. Das Geräusch schien leicht an- und abzuschwellen. Er fragte sich, was der Angelsachse dort nur treiben mochte, und suchte nach einem Spalt zwischen den Brettern der Tür, durch den er einen Blick in den Raum werfen konnte. Er hatte Glück, diese Tür war ebenso nachlässig gefertigt wie die zu seinem Zimmer. Also schaute er sich um, ob auch niemand in der Nähe war, aber die ganze Herberge schlief noch tief und fest. Er näherte sich mit dem Auge vorsichtig dem Spalt und blickte hindurch.
    Das Zimmer war deutlich heller als sein eigenes, da es ein Glasfenster besaß. Und in dessen Nähe sah er Aethelred. Er stand mit nacktem Oberkörper vor einem an der Wand befestigten Spiegel und vollführte seltsame Bewegungen: Mit der linken Hand zog er sich die Haut der Wange straff, während er die rechte mit leicht kreisenden Bewegungen über das Gesicht führte. Nein, er hielt etwas in der rechten Hand. Andreas konnte nicht erkennen, worum es sich handelte, nur dass es ein kleiner, schwarzer Gegenstand war. Und von diesem Etwas ging das Summen aus.
    Plötzlich verstummte das Geräusch. Aethelred hörte mit den Bewegungen auf und blickte auf das schwarze Ding in seiner Hand. Dann ging er in eine Ecke des Zimmers, wo Andreas ihn nicht sehen konnte. Er hörte aber ein Klicken und dann, nur einen Augenblick später, die Stimme des Angelsachsen, der ein einziges Wort ausstieß. Andreas verstand die fremde Sprache nicht, aber schon der Klang ließ keinen Zweifel zu, dass es sich um einen Kraftausdruck gehandelt haben musste. Aethelred

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