Die Zeitmaschine Karls des Großen (German Edition)
der weißen Lackierung war metallische Kälte spürbar. Nun fiel ihm auch eine haarfeine Fuge in der Metallhaut auf, die ein der konischen Krümmung angepasstes Rechteck bildete. Ob das wohl eine Tür war, die ins Innere führte? Und falls es sich wirklich so verhielt, wie öffnete man sie? Andreas sah weder Schloss noch Griff. Es musste einen verborgenen Mechanismus geben, aber wie konnte man ihn bedienen? Außer einem sehr schmalen Schlitz von höchstens zwei Zoll Breite gab es nichts in der Nähe der mutmaßlichen Tür, und dieser Schlitz war für jede Art Schlüssel zu eng.
In diesem Augenblick erkannte Andreas erschrocken, dass es etwas gab, das ihm schon viel früher hätte auffallen müssen. Außer dem Gang, durch den er gekommen war, und den kleinen Löchern über ihm gab es keine anderen Öffnungen, die in diesen Raum führten. Aber wie war dann dieser große, sicher überaus schwere Kegel hier hineingekommen? Andreas fühlte, dass ihm das Blut in den Kopf schoss, als ihm klar wurde, dass es sich um Zauberei handeln musste. Plötzlich spürte er, wie ihm die Angst stechend in die Knochen fuhr, und er wollte fort. Er lief in den Gang zurück und stolperte gehetzt die rutschige, finstere Höhle entlang. Das Einzige, woran er denken konnte, war möglichst schnell dieses Furcht einflößende Ding hinter sich zu lassen. Mehrmals schlug er in seiner Eile mit der Stirn gegen steinerne Vorsprünge in der Decke, aber er schien es überhaupt nicht zu bemerken und lief weiter. Endlich sah er den Ausgang vor sich und rannte hinaus ins Freie. Selbst als der Schlund der Grotte schon hinter ihm lag, lief er wie von einer höllischen Meute gejagt weiter, obwohl er, vom hellen Sonnenlicht geblendet, kaum etwas sehen konnte. Erst als er am Fuße des Hangs über eine Wurzel stolperte und der Länge nach zu Boden fiel, kam er wieder zur Besinnung.
Atemlos keuchend setzte Andreas sich im Gras auf, ihm war übel und er fühlte sein Herz rasen, als wollte es platzen. Jetzt spürte er auch, dass sich auf seinem Kopf mindestens eine große Beule bildete, und der pulsierende Schmerz half ihm, wieder in die Realität zurückzufinden. Schnell stellte sich bei ihm das Gefühl wütender Scham ein, weil er es zugelassen hatte, sich selbst derartig in Panik zu versetzen. Er verspürte zwar keinen Drang, sich nochmal zurückzubegeben, aber sein Verhalten war ihm dennoch peinlich, und er dankte Gott, dass Claudia ihn nicht hatte sehen können.
Er versuchte, seine Beobachtungen zu sortieren; aber es dauerte geraume Zeit, bis seine Gedanken ihre ruhelose Verworrenheit verloren.
Aethelred. Wer ist Aethelred? Er isst, er trinkt. Also ist er ein Mensch. Was hat er heute Morgen in seinem Zimmer bloß gemacht? War das etwa ein magisches Ritual? Und warum musste er dann so plötzlich hierher, was hat er in der Höhle mit diesem Ding gemacht? Ist da irgendwas, das er dringend braucht? Er hatte sich auf den Weg gemacht, als der kleine schwarze Gegenstand in seiner Hand zu surren aufhörte. Das Ding muss für ihn sehr wichtig sein. Ich muss wissen, was das ist!
Langsam erhob er sich und musste dabei aufpassen, nicht sofort wieder hinzufallen, denn in seinen Beinen saß noch die Angst; sie schienen ihm weich wie Butter. Dann ging er zur Lichtung zurück und holte das Pferd hinter dem Holzstapel hervor.
Während er den schmalen Pfad hinunterritt, merkte er, dass sein Hals rau und trocken war, ein ätzend bitterer Geschmack hing zwischen Kehle und Mundhöhle. Er wollte versuchen, im Dorf etwas Wein zu bekommen.
Gleich gegenüber der kleinen grauen Kirche gab es tatsächlich eine bescheidene Schenke, und der Wirt saß mit einem Weinkrug auf einer Bank im Freien. Andreas stieg aus dem Sattel und ging zu ihm.
»Ich wünsche Euch einen guten Tag. Hättet Ihr einen guten Schluck, der die Lebensgeister wieder weckt?«
Der stämmige Franke mit dem gewaltigen blonden Schnurrbart im freundlichen Gesicht sah Andreas fast bestürzt an: »Ich grüße Euch … bei allen Heiligen, Ihr seid ja kalkweiß im Gesicht! Ich glaube, Ihr könnt wirklich eine Stärkung vertragen. Setzt Euch, ich bringe Euch etwas.«
Andreas nahm Platz, und kurz darauf kehrte der Wirt mit einem großen Becher Rotwein zurück. Der Ostgote nahm einen kräftigen Schluck und fühlte sich ein wenig besser. Inzwischen hatte sich der Franke zu ihm gesellt und plauderte so lebhaft, dass Andreas überzeugt war, in ihm den besten Kunden dieser Schenke vor sich zu haben. Aber es tat ihm nach dem
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