Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
erkennen, dass seine Hände sich unter Wums Berührung zu Fäusten geballt haben. Schnell lässt dieser seinen Gast los und lacht übertrieben laut. »Oder hattest du ein kleines Stelldichein?«
»Ich war gerade dabei einem Mann zuzusehen, der an seinem eigenen Blut erstickt ist, nachdem ich ihm mit dem Messer die Luftröhre durchtrennt habe.« Kays Stimme ist ruhig, fast emotionslos.
Prompt tritt Wum einen Schritt zurück und scheint sich einen Moment sammeln zu müssen, bevor er wieder Herr der Lage ist.
»Nun ja, also, äh - Kay. Du kennst das Spiel. Du kennst die Regeln und du wirst sicherlich inzwischen ähm Erfahrungen gesammelt haben, die dich zu einem besseren Scout für unsere Kandidatin machen, als es deine Begleiterin schlussendlich für dich war.«
»Und wenn sie überlebt, wird mir der Marker entfernt und ich werde vergessen, dass es je eine andere Gegenwart gab als meine jetzige«, stellt Kay fest und tritt dabei verdammt nah an Wum Randy heran. »Das ist der Deal, richtig?«
Überlebt? Was meint er damit? Wieso sollte ich den Versuch nicht überleben Tante Rose vom Apfelpflücken abzuhalten? Es geht doch um Jeremys Leben, nicht um meins!
»Ja-aa, das ist der Deal.« Wums Stimme klingt unsicher. Er geht rückwärts, macht einen großen Bogen um Kay, dann steht er am anderen Ende der Bühne. Viel zu dicht neben mir. »Nun gut, wir hoffen, dass du uns später noch zu einem Interview zur Verfügung stehst, aber jetzt ist es an der Zeit, deinen Schützling kennenzulernen! Und hier ist sie! Unsere Alison!«
Ich muss meine Augen gegen das grelle Licht abschirmen, das mich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt, um Kay weiterhin sehen zu können. Er steht gut zehn Meter von mir entfernt, am anderen Ende der Bühne, und sieht zu mir herüber. Ich versuche zu lächeln und trotz dieser aberwitzigen Situation ist es mir plötzlich wichtig, dass ich nach wie vor genauso ausdrucksstark wirke, wie Ivana mich modelliert hat. Dabei zupfe ich mir nervös einige Strähnen ins Gesicht und warte auf Kays Reaktion.
Doch weder Kay noch der Moderator noch das Publikum sagen einen Ton. Die unangenehme Spannung macht mich noch unruhiger. Auf was warten sie? Darauf, dass ich etwas sage? Ich sehe Wum Randy fragend an. Der jedoch steht in der Mitte der Bühne zwischen Kay und mir und starrt mit in den Nacken gelegtem Kopf nach oben auf den großen Bildschirm. Mein Blick folgt dem seinen. Das mächtig vergrößerte Gesicht von Kay ist eingeblendet und erst jetzt sehe ich, dass das Schwarze viele feine Linien sind, die seine Stirn überziehen und sich über seine Wangenknochen bis zur Nasenwurzel schwingen. Die düstere Tätowierung verleiht ihm etwas Kämpferisches, fast Barbarisches. Doch nichts davon ist in seinem Gesicht zu lesen.
Kay schüttelt langsam den Kopf. Er wirkt ungläubig, geradezu schockiert. Seine Augen sind düster, scheinen plötzlich schwarz zu sein. Blanker Hass steht in seinem Gesicht. Doch plötzlich verändert sich sein Ausdruck. Kay verzieht schmerzhaft das Gesicht, beißt sich auf die Lippe. So stark, dass feine Blutstropfen daraus hervorquellen. Sie müssen ihm Schmerzen über den Marker zufügen! Mit Sicherheit ist ihnen auch das möglich. Wieso tun sie das? Bestürzt sehe ich zu Wum, der teilnahmslos wirkt.
Als ich wieder auf den Bildschirm an der Decke blicke, sehe ich eine Träne, die über Kays Gesicht läuft. Es ist nur eine, aber er wischt sie nicht weg.
Wie lang soll das noch gehen? Warum tun sie ihm das an? »Aufhören!« Ich keuche und ein Raunen geht durch die Zuschauerreihen. Sofort zeigt der Monitor mein Bild.
Nicht! Nein! Was ist mit Kay? Zeigt ihn, nicht mich! Kann er wirklich einer von ihnen sein? Nein! Auf keinen Fall. Nicht, wenn sie ihm derart wehtun. Genau wie ich ist er hierhin verschleppt worden.
»Ihr sollt aufhören, ihm wehzutun!«, brülle ich jetzt laut in die unbegreifliche Stille hinein, aber meine Worte zeigen keine Wirkung. Stattdessen legt Wum Randy verzückt die Hände aufeinander, als wolle er beten und lächelt. »Es ist, wie eine alte Bekannte wieder zu treffen, nicht wahr, Kay?« Er wirkt unfassbar selbstgefällig.
»Warum sie?«, presst Kay heraus, anscheinend immer noch unter den Schmerzattacken leidend.
»Nun ja …« Der Moderator ringt mit den Händen. »Eine hübsche Kleinstadt, eine sympathische Familie, ein nettes Waldhaus … Unsere Kandidatin ist eben eine typische Amerikanerin ihrer Zeit. Sicher, diese Faktoren hätten auch auf viele
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