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Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Kestner
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ihm.
    »Ein Mann«, erklärt er mit gedämpfter Stimme und nickt in Richtung des Nachbargrundstücks, auf dem ein aus Holzstämmen zusammengezimmertes Wochenendhaus aus den fünfziger Jahren steht. In ihm haben Carissas Eltern einige Jahre gewohnt, bevor sie in das gläserne Strandhaus gezogen sind. »Er ist eben ins Haus nebenan gegangen. Es steht zwar recht weit weg, aber …«
    »Verstehe. Wie sah der Typ aus?«
    »Etwa Mitte zwanzig, rötliche Haare, Brille, Schnauzer.«
    »Mr White.«
    »Du kennst ihn?«
    »Er ist der Dad meiner besten Freundin.«
    »Umso wichtiger, dass er dich nicht sieht. Alles, was in direktem Zusammenhang mit deinem Leben steht, wird umso größere Auswirkungen auf dich haben.«
    »Ich hab's begriffen! Wirklich!«
    Kritisch sieht Kay mich an.
    Ein Blick auf den Marker zeigt acht verbleibende Minuten.
    »Okay, der Baum steht auf der anderen Seite. Sieht aus, als sei niemand zu Hause. Die Fensterläden sind zu, also …«
    »Das Haus ist leer«, bestätigt Kay und hebt ein Schild auf, das umgekippt vor der Veranda liegt. Auf einen Pfeil steht »FOR SALE« und plötzlich erinnere ich mich, das Dad einmal erwähnt hat, dass sie das Haus zufällig bei einem Spaziergang entdeckt hatten und die einzigen Interessenten waren, weil sie das Zu-Verkaufen-Schild umgestürzt unter Blättern und Erde hervorgezogen hatten. Niemand schien sich ernsthaft um den Verkauf bemüht zu haben. Über die Folie streiche ich mit dem Finger. Ein leichter Schmutzrand bleibt an ihnen haften, aber wahrscheinlich würden Mum und Dad das Schild erst nach dem Herbst finden.
    »Leg es wieder hin«, sage ich zu Kay, der es vorsichtig in den Abdruck legt, den es auf dem baumnadelüberzogenen Boden hinterlassen hat.
    Ein letzter Blick auf das Schild, dann rennen wir um das Haus herum. Ein Stück Wiese öffnet sich. Mein Kinderzimmer mit der Gaube in der oberen Etage, der Apfelbaum davor. Seine Äste strecken sich noch nicht bis zum Dach, aber der Baum ist größer, als ich vermutet habe. Der Stamm lässt sich nicht brechen und als ich an dem Baum zerre, weigert er sich, auch nur ein Stück nachzugeben.
    »Was ist, wenn Tante Rose einfällt, an dem Tag von Jeremys Zeugung Fenster zu putzen und von der Leiter fällt oder krank wird und gar nicht erst kommt?«
    Kay stellt sich mit gespreizten Beinen vor den Baum, der ihn selbst um einen guten Meter überragt, geht in die Hocke und zerrt an dem Stamm. Dabei spannt sich jede Faser seines Körpers an und unter dem cremefarbenen Hemd zeichnet sich deutlich sein durchtrainierter Körper ab. Seine obersten beiden Hemdknöpfe sind geöffnet und ich ertappe mich dabei, wie ich auf seine sich hebende und senkende Brust starre.
    »Sie hat es in ihrer Zeitlinie nicht getan und sie wird es nicht tun«, antwortet Kay, lässt den Stamm los und blickt hoch. »Zwecklos!«
    Schnell wende ich mich ab, denn jetzt, da sein Gesicht von der Anstrengung gerötet ist, scheint er mir noch umwerfender als zuvor. Er wischt sich die Hand an der Hose ab und wirft einen Blick auf die Innenfläche.
    »Vier Minuten. Wir brauchen eine Säge.«
    »Der Schuppen!«, rufe ich. Dad hat unendlich viele Sägen in seinem Schuppen. Handkreissägen, Bügelsägen, Gehrungssägen, Furniersägen. Ich habe ihm meist nur mit einem Ohr zugehört, aber ich bin mir sicher, etwas zu finden.
    Als ich jedoch den Schuppen erreiche, schaukelt die Tür in einer Angel hängend und knarzt leise im aufkommenden Wind. Ich reiße sie auf, blicke in einen verstaubten Raum, in dem einige Bretter lagern. Eine Glasflasche liegt in der Ecke, Spinnen haben sich eingenistet, ein verrosteter Schraubenzieher steckt zwischen den Latten der Hüttenwand. Nirgendwo entdecke ich eine Säge. Natürlich, Mum und Dad wissen noch nicht einmal, dass dieses Haus existiert!
    Scheiße! Okay, was dann … was dann? Ich reiße den Schraubenzieher aus der Wand und schnappe mir die Flasche, die ich dreimal mit dem Hals über die Bretter schlage, bevor sie zerspringt. Dann stoße ich die Tür so kräftig auf, dass sie ganz hinausfällt und renne zu Kay zurück, der auf seinen Marker tippt. Über eine Minute ist vergangen. Ich drücke Kay den scharfkantigen Flaschenhals mit dem Wort »Säge« in die Hand und haue mit dem Schraubenzieher und der Kraft der Verzweiflung auf den Stamm ein, ganz so, als wolle ich jemanden ermorden. Tatsächlich muss ich an Wum Randy denken. Dabei hacke ich mit der Spitze auf die Rinde, bis Flüssigkeit hinaustritt. Vielleicht gelingt es

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