Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
den Spitzen der aufgewühlten Wellen zucken ab und zu weiße Schaumkronen. Die Projektion führt mich über einen Steg, der immer wieder von Wellen überspült wird, weit ins Wasser hinein. Ich erkenne den Ort. Carissa und ich sind in den Sommermonaten oft von seiner Spitze in das kühle Nass gesprungen, aber jetzt zeigt der Kalender den 10. November 2011 und das Meer wirkt bedrohlich. Klatschend werfen sich die Wellen gegen das Holz und nur das Pfeifen des Windes übertönt die tosende See. Die Holografie führt mich weg von dem Steg, weiter auf das offene Meer, etwas wird über den Ozean getragen … Es ist ein Schriftzug … Jeremy Hill, geboren am 17. Juni 2003, 8 Jahre . Die hellgelben Worte stehen einen Moment in einer in sich zusammenbrechenden Welle, dann sehe ich, was ich bereits wusste: Der Schriftzug zieht meinen Blick eine unendliche Weile in die düstere Tiefe, bis plötzlich helle Locken auftauchen, die weich nach oben fließen. Bleiche Haut, weit geöffnete, panikerfüllte Augen. Luftblasen drängen nach oben.
Ich springe auf, höre mich schreien, spüre plötzlich Hände auf meinen Schultern, die mich in den Sessel zurückdrücken, die sich nicht abschütteln lassen. Ich muss zu meinem Bruder!
»Pscht, Alison. Nicht … Du kannst nichts tun. Es ist schon geschehen.«
Kay flüstert mir die Worte ins Ohr, ohne seine Hände von meiner Schulter zu nehmen. Ich winde mich unter seinem Gewicht verzweifelt hin und her, strecke meine Arme zu meinem Bruder, der tiefer und tiefer sinkt.
»Es ist nicht deine Realität … Alison, du wirst nie wieder dorthin zurückkehren … Sieh nicht hin. Sieh zu mir.«
Doch ich kann meinen Blick nicht von meinem Bruder lösen und starre auf das immer dunkler werdende Wasser, das Jeremy erbarmungslos verschlingt. Erst als unter seinem Geburtsdatum ein Kreuz erscheint, sehe ich langsam zu Kay hoch.
»Warum?«, bringe ich erstickt hervor, meine Stimme jedoch schallt laut durch den Show-Dome, wo sie irgendwo an der Kuppel zerbricht.
»Es dreht sich alles um den Apfelbaum, genauer gesagt um den Apfelkuchen!«, ruft Wum aus und tänzelt freudestrahlend zu mir. »Dies ist also deine zweite Chance, deine zweite Challenge, Alison. Hans, unser technischer Leiter, wird euch jetzt hinunterbegleiten, um euch erneut in deine Vergangenheit zu schicken. Wir alle können es kaum erwarten, das Dream-Team wieder in Aktion zu sehen! Überzeugt die Jury, Leute, begeistert das Publikum, betört ganz Amerika! Denn dies ist eure Showtime!«
»Okay, dann zurück in die Vergangenheit!«, sage ich zu Kay und bin schon auf dem Weg zum Bühnenrand, wo der Ganzkörperstrampler namens Hans auf mich wartet. »Diesmal werde ich den Apfelbaum sofort absägen!«, knurre ich grimmig und überlege eben, wo ein brauchbareres Werkzeug zu finden sein wird, als Wum laut auflacht. Mit zusammengekniffenen Augen fahre ich herum und stolpere dabei fast über meine Füße.
»Aber, Alison, du wirst doch nicht schon wieder in das Jahr 1987 zurückgesendet werden. Diese Chance hast du vertan, Liebes.«
Mein Mund klappt auf. »Nicht? Aber … wann dann?«
»Unser Computer hat berechnet«, antwortet Wum und macht eine Kunstpause, in der sich wieder etliche holografische Zeitlinien formatieren, »dass die nächste Möglichkeit, deine Realität wiederherzustellen, genau der dritte - nein, ich würde zu viel verraten! Das wirst du schon rausfinden.« Wum Randy fällt in dröhnendes Lachen, das mich und Kay noch den Gang runter verfolgt, als wir schweigend hinter Hans hergehen.
Kay wird angewiesen, einen Raum mit der Nummer vier zu betreten, ich tripple nervös an den unterschiedlich farbigen Portraits des Mannes mit dem Zwirbelbart vorbei, bis Hans mir die Tür zu Raum Nummer sechs öffnet. Ich kenne ihn bereits.
Die Tafel an der Wand erhellt sich in dem Moment, da Hans die Tür schließt. Der Techniker betrachtet die zahlreichen Werte, die zumeist im gelben Bereich liegen, und nickt zufrieden. »Sie sind stabil genug, um portiert zu werden. Bitte betreten Sie den Zylinder.«
»In welche Zeit werden Sie mich bringen?«, frage ich mit wild klopfendem Herzen durch die sich schließende Glastür und hämmere gegen die Scheibe, da Hans nicht antwortet. »Hey! In welche Zeit werde ich portiert?«, brülle ich so laut ich vermag.
»Ich höre Sie über meinen Marker. Sie können in normaler Lautstärke mit mir kommunizieren und wie Sie bereits wissen, bin ich nicht befugt, Ihnen Auskünfte zu erteilen.« Hans'
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