Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Lippen pressen sich zu schmalen Linien zusammen und als der blaue Spiegel, der zügig meinen Körper hochfährt, meine Nase erreicht, werfe ich ihm einen letzten hasserfüllten Blick zu.
5. KAPITEL
IRGENDWANN,
Mill Valley
Mir ist wieder übel, jedoch lässt der Schwindel schneller nach als beim letzten Zeitsprung, so dass ich es wage, den Kopf zu heben.
Kay steht bereits auf den Beinen und reicht mir die Hand.
»Moment noch«, murmle ich und hefte meinen Blick an einen abgenutzten Pflasterstein, der offensichtlich Teil eines Bürgersteiges ist, bis ich sicher bin, mich nicht schon wieder übergeben zu müssen.
»Alison, die Menschen sehen uns an. Komm hoch.«
Als ich mich von Kays kühler Hand in die Höhe ziehen lasse, sehe ich, was er meint. Wir befinden uns auf einer überschaubaren Einkaufsstraße, die jedoch so überfüllt ist wie San Francisco zur Feierabendzeit, dabei scheint es noch recht früh am Morgen zu sein. Die Sonne ist noch nicht über die dicht gedrängten Fassaden zahlloser Geschäfte geklettert, die Luft aber ist warm und stickig. In meine Lungen drängt sich der beißende Geruch von Abgasen, der von altertümlichen Fahrzeugen ausgespuckt wird. Hupend stauen sie sich auf der Straße. Zwischen ihnen wieseln Kinder umher, ein Esel, vor einen Karren gespannt …
»Hey!« Ich springe zur Seite. Das Vieh quetscht sich samt Karren doch zwischen mir und der Autokolonne hindurch. »Das ist ein Bürgersteig! Kein verdammter Eselsteig!«
Kay wirft mir einen mahnenden Blick zu. Ich zucke mit den Schultern. Hier ist es doch wirklich unmöglich, jemanden aus dem Weg zu gehen! Tatsächlich stehen nur zwei Meter entfernt drei Frauen in den Dreißigern und tuscheln hinter vorgehaltenen Händen, den Blick auf uns geheftet. Alle tragen einen eng anliegenden Hut, der an eine Glockenblume erinnert.
Sofort versuche ich, die Mode einer Zeit zuzuordnen, aber die fließenden Stoffe, ihre knielangen, gerade geschnittenen Röcke und die in gleichem Pastell gehaltenen, mit Glasperlen bestickten Oberteile sagen mir nichts. Verstohlen werfe ich einen Blick auf den Marker. »Verbleibende Zeit: Drei Tage, dreiundzwanzig Stunden und achtundfünfzig Minuten« ist die einzige Information, die er preisgibt.
»Fast vier Tage«, zische ich Kay zu, der kopfschüttelnd die Straße hinunterblickt. Ich meine, in seinem Blick Verzweiflung zu lesen.
»Es hätte schlimmer kommen können, oder? Der Wilde Westen zum Beispiel. Wann meinst du, sind wir?«
Da Kay nicht antwortet, wage ich es, mich selbst umzusehen, obwohl uns alle Vorbeigehenden abschätzende Blicke zuwerfen.
Zwischen den sich langsam vorwärtsschiebenden Wagen zirkeln auf schmucklosen Fahrrädern junge Männer, zumeist mit Schiebermütze, kurzen Hosen und knielangen Strümpfen bekleidet.
Peng! Ein Knall! Ich zucke zusammen. Du meine Güte! Was war das denn jetzt? Es knallt und knattert noch ein zweites Mal.
Ein kleiner Junge, an der Hand seiner Großmutter, deutet auf ein klobiges Motorrad und lacht laut, als er meinen verängstigten Ausdruck sieht. Mit einem jähen Wisch über den Kopf bringt die Frau das Kind zum Schweigen und der Kleine tappt mit gesenktem Kopf weiter. Anders als die anderen weiblichen Passanten steckt seine Großmutter in einem bodenlangen, gerüschten Kleid, das an ihrem im Gedränge entschwindenden Rücken durch ein Korsett zusammengehalten wird.
Mehrere Männer in Arbeitskleidung bringen Wimpel und Fahnen in den amerikanischen Farben an den Markisen, Hausfronten und Straßenlaternen an. In regelmäßigen Abständen spannen sich von einer Straßenseite zur anderen blau-weiß-rote Papierstreifen, gegen die zwei Jungs in Jeremys Alter lachend und hüpfend schlagen. Es ist nicht zu übersehen: Überall werden Vorbereitungen für ein Straßenfest getroffen. Auch in einem nicht weit entfernten Straßencafé hängen blau-weiß-rote Girlanden, unter denen einige Damen vor ihren Mokkatässchen sitzend Zigaretten paffen.
Aus einem Geschäft dringt blechern eine schmalzige Melodie zu uns. Ein feister Ladenbesitzer mit zurückgegeltem, dünnem Haar und Hosenträgern schiebt ein handbemaltes Werbeschild auf die Straße. »Eiscreme nur acht Cent und eisgekühlte Coca Cola nur fünf Cent«, lese ich. Meine Kehle ist unangenehm trocken und mein Magen beklagt sich knurrend darüber, dass ich nicht einmal acht Cent für Eiscreme besitze. Mir kommt meine Umgebung seltsam bekannt vor, doch für den Moment kann ich nur an die Cola denken, die ich hinter dem
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