Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
strahlend blauen Winterhimmel, Schneereste wechselten sich ab mit nassem Grün, das in dem kalten Sonnenlicht glitzerte. Tief sog Zacharias die klare Luft in seine Lungen.
Vor ihnen, inmitten der Ebene, lag Sonningen.
Sonningen
Selbst aus der Entfernung waren die gewaltigen Stadtmauern beeindruckend. Doch sie wurden noch übertroffen von den schwarzen Türmen der Burg, die sich auf ihrem schroffen Felsen stolz aus dem Häusermeer der Stadt erhob. Auf ihren Zinnen flatterten goldene, dreieckige Fahnen im Wind, auf denen sich der aufgerichtete, grüne Drache erahnen ließ. Zwischen den vier runden Ecktürmen verlief die Burgmauer mit ihren länglichen Schießscharten und den Weh rgängen. An der Vorderseite wurde die Mauer genau in der Mitte zwischen den zwei Ecktürmen von einem fünften Turm durchbrochen, der wesentlich breiter und noch ein gutes Stück höher als die anderen war. In seinem Fuß befand sich das Torhaus mit der Zugbrücke. Von dort führte ein steiler, in den Felsen gehauener Weg hinab in die Stadt, gerade breit genug für ein Ochsengespann.
Hinter der Brüstung des Hauptturms standen Wachen, die silbern schimmernde Harnische trugen. Die Rüstungen blitzten im Sonnenlicht, wenn sich die Männer auf dem Wehrgang bewegten.
Im Inneren der Festung lehnte sich ein zweistöckiges, mit roten Ziegeln gedecktes Wohnhaus an die Burgmauer. Bestimmt gab es noch weitere Gebäude, doch waren sie hinter den hohen Mauern nicht zu erkennen.
Eine Festung hoch auf dem Felsen, zusätzlich geschützt durch die mächtigen Steinquader der Stadtmauer, die sich wie ein endloser Lindwurm um Gassen und Häuser legte … eine Eroberung musste fast unmöglich sein.
Angestrengt versuchte Zacharias, weitere Details zu erspähen. Wie viele alte Burgen hatte er schon besichtigt, wie oft war er über die Burghöfe geschritten und hatte sich vorgestellt, wie wohl das Leben vor Hunderten von Jahren in diesen alten Mauern gewesen sein musste. Aber das hier … das brauchte keine Fantasie. Das war … echt. Plötzlich konnte er es nicht mehr abwarten, in die Stadt zu kommen.
„Los, lasst uns weitergehen“, rief er ungeduldig.
Nach dem Abstieg in die Ebene stießen sie auf den Weg, der auf das Stadttor zuführte. Die riesigen, eisenbeschlagenen Torflügel waren weit geöffnet, ein Strom von Fußgängern, Ochsengespannen, Pferdefuhrwerken und Reitern bahnte sich seinen Weg durch das Gewölbe, und es sah so aus, als ob die Stadt Mensch und Tier in ihrem steinernen Schlund verschlucken wollte.
Niemand beachtete sie und so mischten sie sich einfach in das Getümmel und ließen sich treiben. Viele der Menschen, die mit ihnen unterwegs waren, schienen Bauern oder Händler zu sein. Auf den offenen, von Ochsen gezogenen Fuhrwerken standen Säcke, in denen sich anscheinend Getreide befand, daneben Drahtverhaue voller Hühner und Kaninchen. Packpferde trugen geduldig ihre schweren Lasten, Frauen schleppten ineinander gestapelte, aus Weiden g eflochtene Körbe auf dem Rücken und direkt neben ihnen trieb ein Mann mit einer Gerte, die er zischend durch die Luft wirbelte, Schweine vor sich her. Das Rumpeln der Karren und das Fluchen der Fuhrleute erfüllte die Luft. Gelächter, Rufe, Lieder waren überall, Gesprächsfetzen schwirrten umher und ganz offensichtlich versuchte ein jeder, den anderen zu übertönen.
„Wo wollen die bloß alle hin?“, fragte Zacharias staunend.
„Vielleicht ist Markttag“, vermutete Professor Freising, „und die Leute kommen aus den umliegenden Dörfern, um ihre Waren zu verkaufen?“
Zacharias musste lachen, als sie einen Esel passierten, der einfach stehen geblieben war und sich beharrlich weigerte, weiterzugehen. So sehr sich sein Besitzer auch abmühte, mit dem Stock auf das Tier einschlug, an der struppigen Mähne zog und zerrte, schimpfte, schrie und lockte, es war zwecklos. Der Esel bewegte sich kein Stück. Wütend ließ der Mann von ihm ab und kratzte sich ratlos die rot leuc htende Knollennase. Plötzlich schien ihm ein Einfall zu kommen. Er hob das Bein und trat dem Esel mit voller Wucht in das Hinterteil. Aufgeschreckt blökte das Tier auf und tat einen Satz nach vorn.
Erst jetzt bemerkte der Mann, dass Zacharias ihn beob achtete. Er kniff ein Auge zusammen, klopfte Zacharias mit seiner riesigen Pranke auf die Schulter, als würde er ihn seit Jahren kennen und sagte mit Verschwörermiene: „Mein Sohn, diese Eselstute ist so verdammt störrisch, da kommt nicht einmal meine Alte zu Hause mit.
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