Die Zeitreisen des Zacharias Jones (Flucht aus dem Mittelalter) (German Edition)
jung ist.“
„Dann verlest es eben. Aber beeilt Euch. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“
Der Ratsherr räusperte sich und las weiter:
„So der Dieb seines Alters unter vierzehn Jahren war,
so soll er nicht vom Leben zum Tod gerichtet,
sondern mit der Leibstrafe gestraft werden.
Wo aber der Dieb nahe bei vierzehn Jahren alt war
und der Diebstahl schwer,
so sollen die Richter deshalben auch Rats pflegen, ob ein solcher junger Dieb nicht doch am Leben zu strafen sei.“
„Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt“, knurrte der Graf unwillig. „Der Junge ist in seinem vierzehnten Jahr, also fast vierzehn Jahre alt. Und es war ein schwerer Diebstahl. Ihr stimmt mir doch wohl zu, dass in diesem Fall die Beförderung vom Leben zum Tode durch Erhängen die einzig richtige Strafe ist? Oder seid Ihr etwa anderer Meinung?“
Der Ratsherr, dessen Gesicht urplötzlich eine ungesunde, wächserne Blässe angenommen hatte, schüttelte stumm den Kopf.
„Hat sonst jemand einen Einwand?“ fragte der Graf in die Runde.
Niemand sagte etwas.
„Dann bleibt es dabei. Der Dieb wird gehängt. Das Urteil wird morgen bei Sonnenaufgang vollstreckt.“
Bei diesen Worten fiel der Junge auf die Knie und hob flehend die Hände.
„Aber meine Geschwister …“, glaubte Zacharias noch zu hören.
Der Graf winkte eine Wache herbei.
„Fort mit ihm!“
Der Posten packte den Arm des Verurteilten, zerrte ihn auf die Füße und verschwand mit ihm hinter dem Baldachin.
Zacharias spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Das war wirklich schlimm. Viel schlimmer, als er es sich je hätte vorstellen können.
„Wer kommt jetzt?“, fragte der Graf ungeduldig.
„Euer Alchemist, Herr“, antwortete der Schreiber beflissen und griff zur nächsten Pergamentrolle.
Wilfried von der Gaag mischte sich ein. „Ich glaube, wir können auf das Verlesen der Anklage verzichten. Dieser feine Mann der Wissenschaft ist uns allen doch zu Genüge bekannt.“
Der Graf nickte. „Holt ihn her!“
Unsanft wurde der nächste Gefangene vor den Gerichtstisch gestoßen. Er war deutlich älter als der erste Angeklagte und seine Kleidung bestand nur noch aus zerrissenen Lumpen. Seine Wangen waren eingefallen und er zitterte vor Kälte. Die blauen Flecken und roten Striemen in seinem Gesicht und auf den Armen zeigten, dass er geschlagen worden war. Der Graf sah den Mann an, als ob er ein besonders ekliges Insekt betrachtete.
„Mein guter Alchemist“, sagte er mit falscher Leutseligkeit und verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, das Zacharias an das Zähn efletschen eines Wolfes erinnerte. „Mein stolzer Academicus. Welch große Hoffnungen hatte ich in Euch gesetzt! Und … habe ich Euch nicht alles gegeben, was Ihr verlangtet?“
Der drohende Unterton in der Stimme des Grafen ließ Zacharias nichts Gutes ahnen. Der Mann sagte nichts, sondern deutete nur ein vorsichtiges Kopfnicken an.
„In meiner Burg gab ich Euch eine Stätte zu wirken, Metalle, Pulver, seltene Kräuter, alles, was Ihr begehrtet. Und was habt Ihr damit angefangen?“
Von dem leutseligen Ton war jetzt nichts mehr zu hören. Das Gesicht des Grafen war dunkelrot angelaufen. Es war ihm anzumerken, dass er sich nur mühsam beherrschte. Doch der Mann schwieg we iter, bis sich der Graf so ungestüm erhob, dass sein Stuhl polternd umstürzte.
„Was habt Ihr damit angefangen? Antwortet mir!“
Der Alchemist wich einen Schritt zurück. „Ich … nichts … aber … wenn Ihr mir noch etwas Zeit gegeben hättet, Herr, dann …“
Der Graf schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die sorgfältig ausgerichteten Papierrollen durcheinander wirbelten. „Halt dein Maul, du verfluchter Betrüger! Sechs Monate hieß es, brauchst du, um mir Gold zu machen, herrliches, reines, wunderbares Gold! Sechs Mon ate! Ich habe dir sogar ein ganzes Jahr gegeben, zwölf lange Monate, in denen ich gewartet habe und noch einmal gewartet, in denen du mich vertröstet hast von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, in denen du immer neue Dinge verlangt hast, teure Dinge! Alles ließ ich dir beschaffen ohne Rücksicht auf meine Börse, die sich schneller geleert hat, als ein Schwein den Trog leer frisst!“
Der Graf schnaubte wie ein wütender Stier und ließ sich zurück in seinen Stuhl sinken. „Was denkt Ihr, was die gerechte Strafe für diesen Betrug ist, mein treuer Vogt?“
„Nun, Herr“, antwortete Wilfried von der Gaag, „meines Wissens sieht das Gesetz vor, dass der Betrüger
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