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Die Zeitreisenden in Callahans Saloon

Titel: Die Zeitreisenden in Callahans Saloon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spider Robinson
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überbrückte der Schnelle Eddie die Lücke mit einem Wirbel von Dreiklängen. Er wußte offenbar genau, was er tat, deshalb ließ ich ihm freie Hand. Während er eine saftige Pointe abschoß, sah ich mich wieder um und blickte nur in grinsende Gesichter.
    Nein, doch nicht. Tommy Janssen, der hinter dem Mixer saß, lächelte eindeutig nicht. Ein dickbäuchiger Gentleman, der einen Mantel trug und den ich nicht kannte, beugte sich über Tommys Schulter, flüsterte ihm etwas ins Ohr, und der Junge zeigte sich überhaupt nicht begeistert davon. Knapp bevor ich mich wieder auf mein Solo konzentrierte, drehte sich Tommy um und sagte etwas zu dem Mann im Mantel, und als ich wieder hinschaute, stand der Kerl an der Bar und hatte seine Nase in einen Doppelstöckigen gehängt.
    Ich beschäftigte mich aber nicht weiter mit ihm, denn die dritte Strophe war fällig.
    »Mitten in Levittown kamen wir wieder zu Atem, denn die Kneipe war zu dreckig, das machte uns Spaß. Ich trank ein Pint, und mein Kumpel einen Krug und der Fahrer soff eine ganze Maß. In Suffolk County gingen wir auf Schnellgang über, denn eine riesige Menge erwartete uns dort. Von Jericho bis Merrick Road blieb keine Kehle trokken. Wir soffen und sangen uns von Ort zu Ort.
    In Hampton gingen mein Kumpel und der Fahrer verloren, und ich kriegte selbst mit aller Gewalt nichts mehr rein. Doch der Teufel soll mich holen, zu Ende war‘n die Kohlen, und ich saß in Montauk Point weinend allein auf ‘ nem Stein.«
    Die ganze Bande stimmte in den letzten Refrain ein. Alle, nur nicht der Kerl im Mantel ... der schon bei seinem zweiten Doppelstöckigen gelandet war.
    »Es gibt nichts Schöneres, als einen Glücksfall begießen. Wir waren so blau wie die himmlischen Wiesen, wir wußten vor Bläue nicht mehr, wie wir hießen, und wenn ihr mich fragt, ich bin immer noch blau.«
    Ein Hagelschauer aus Gläsern ging über dem Kamin nieder, und der Schnelle Eddie und ich einigten uns auf ein gemeinsames Finale. Als sich die jubelnde, lachende Menge ein bißchen beruhigt hatte, trat ich wieder ans Mikrophon und räusperte mich. »Ich danke für Ihr Verständnis, meine Damen und Herren«, begann ich. »Wir werden sofort den Elf-Gallonen-Hut herumreichen.« Ich tupfte vielsagend auf meinen Stetson und grinste.
    »Und jetzt ...« Ich unterbrach mich. »Wir können nur zwei Songs, und das war schon der eine, deshalb sind wir wirklich froh, daß er Ihnen gefallen hat.« Ich unterbrach mich wieder. »Was meinst du, daß wir jetzt spielen sollten, Eddie?«
    Er zerbrach sich angestrengt den Kopf.
    »Wie wäre es mit dem zweiten?« erkundigte er sich schließlich.
    »Richtig geraten.« Ich griff in die G-Saite.
    Doc Webster köpfte eine frische Flasche Peter Dawson und nahm einen kräftigen Schluck.
    »Okay, Leute«, fuhr ich fort. »Damit ihr wißt, was euch erwartet: ›Sie war nur ‘ne Briefträgertochter, aber gebracht hat sie‘s ...« Leider unübersetzbar: »She was only a telegrapher‘s daughter, but she didit-ah-didit.«) Ich wollte mit der Einleitung beginnen, aber jemand warf ein Glas in den Kamin, lenkte mich ab, und ich verpatzte den Einsatz.
    In den wenigen Sekunden, ehe ich einen neuen Anlauf nahm, brach der Kerl im Mantel laut und wie ein Wasserwerfer in Tränen aus.
    Der Schnelle Eddie und ich gehörten zu den ersten, die einen Kreis um den dickbäuchigen weinenden Mann bildeten. Ich nahm mir nicht einmal Zeit, den Stecker meiner Gitarre herauszuziehen, und falls jemand über das straff gespannte Kabel stolperte, so verlor er deswegen kein Wort.
    Nachdem wir zu dem Mann gestürzt waren und ihn eingekreist hatten, gab paradoxerweise niemand einen Ton von sich. Wir warteten, bis er  sich ausgeweint hatte, und fühlten schweigend mit ihm. Wir boten ihm nur unsere Aufmerksamkeit und Teilnahme.
    Etwa fünf Minuten später hörte er auf zu schluchzen, verzog das Gesicht, atmete stoßweise, und Callahan reichte ihm einen Dreistöckigen. Die Hälfte goß er sich sofort hinter die Binde, die andere Hälfte stellte er auf der Theke ab. Als er sich uns zuwandte, wirkte er nicht beschämt, wie wir erwartet hatten, eher erleichtert. Obwohl sein Unterkiefer immer noch verkrampft war und die braunen Augen immer noch zwinkerten, hatte sich der Frosch in seiner Kehle deutlich gelöst.
    »Danke«, sagte er ruhig. »Ich ... ich ...« Er verstummte, setzte zum Sprechen an, war aber dazu offenbar außerstande. Dann erinnerte er sich anscheinend an die paar Trinksprüche, die er zu Beginn

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