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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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Jersey jede Kolonie ihre eigene Wochenzeitung. In Boston erschienen vier Zeitungen, in New York drei, in Philadelphia ebenfalls, eine davon in deutscher Sprache. Die erste New Yorker Zeitung war 1725 von William Bradford gegründet worden, jenem Mann, den Benjamin Franklin auf seiner Überfahrt nach London 1724 kennengelernt hatte und bei dessen Sohn Andrew er in Philadelphia seine erste Stelle bekommen hatte. Bradford agierte nach dem alten Muster: Keine Konflikte mit der kolonialen Obrigkeit.
    Aber der Gouverneur von New York, William Cosby, war eine kontroversielle Figur, die vielen einflussreichen New Yorkern ein Dorn im Auge war. Sie brachten den deutschstämmigen Drucker Johann Peter Zenger dazu, mit dem
New York Weekly Journal
eine Zeitung herauszubringen, die sich auf die Kolonialverwaltung einschoss. Der Gouverneur ließ Zenger wegen aufrührerischer Ehrenbeleidigung verhaften. Der Richter machte den Geschworenen vor Prozessbeginn klar, dass Kritik an der Regierung auch dann ehrenrührig sei, wenn sie zutreffe. Zengers Anwalt, Andrew Hamilton, appellierte leidenschaftlich an die Geschworenen, die Sache der Freiheit zu verteidigen, „die Freiheit, Willkürmacht sowohl aufzuzeigen als auch zu bekämpfen durch das gesprochene und das geschriebene Wort“. Doch die Geschwornen ignorierten die Instruktionen des Richters und sprachen Zenger frei.
    Dieses Urteil war ein wichtiger Schritt in Richtung Pressefreiheit auf amerikanischem Boden, es hatte sehr direkte Auswirkungen auf die Bereitschaft britischer Behörden, amerikanische Journalisten gerichtlich zu verfolgen, auch wenn die Kritik an der Regierung immer intensiver wurde. Nach dem Zenger-Prozess mussten die Briten fürchten, keine amerikanischen Geschworenen mehr zu finden, die einen amerikanischen Journalisten verurteilen würden.
    Das Haupthindernis für die Pressefreiheit war im England des 18. Jahrhunderts die Stempelsteuer gewesen, die zu einer deutlichen Erhöhung der Zeitungspreise geführt und diese für einkommensschwächere Schichten unleistbar gemacht hatte. Der „Stamp Act“ wurde im britischen Parlament 1765 beschlossen und sollte auch in den amerikanischen Kolonien Gültigkeit haben. Die Amerikaner protestierten, manche Zeitungen wie das
Pennsylvania Journal
erschienen in Grabstein-Optik und kündigten an, dass sie sterben müssten, aber auf eine Wiederauferstehung hofften. Bald erschienen die amerikanischen Zeitungen wieder ohne den geforderten Steuerstempel und es geschah – nichts. Das Gesetz ließ sich nicht durchsetzen und wurde bald aufgehoben. Ähnliches passierte, als die Kolonialmacht Steuern auf den Import von Glas, Blei, Tee und Papier einheben wollte. Die Kolonien kämpften auf allen diesen Feldern erfolgreich, sodass 1770 alle Zölle außer jener auf Tee aufgehoben wurden.
    Während aller dieser Protestwellen gegen die Briten erschienen manche amerikanische Zeitungen mit großen Holzschnitten von zerteilten Schlangen auf den Titelseiten: Diese sollten symbolisieren, wie schwach die Kolonien wären, wenn sie geteilt blieben, statt sich gegen die Kolonialherren zusammenzutun; sie zeigten Särge, die die Opfer des „Boston Massacre“ (bei einer Protestversammlung gegen die neuen Zölle hatten britische Soldaten in die Menge gefeuert und fünf Zivilisten getötet) repräsentierten; sie publizierten Listen mit „Landesfeinden“, die weiterhin boykottierte englische Waren importierten; sie veröffentlichten Serien radikaler Essays von John Dickinson oder Thomas Paine; und sie nannten die britischen Behörden „serpents“ („Schlangen“), „guileful betrayers“ („arglistige Betrüger“), „diabolical tools of tyrants“ („Teufelswerkzeug der Tyrannen“) und „men totally abandoned to wickedness“ („Männer, die sich vollständig der Schlechtigkeit überlassen haben“).

    Die „Söhne der Freiheit“ griffen zu drastischen Mitteln: Bericht über das „Boston Massacre“.
    Natürlich waren nicht alle Zeitungen in den Kolonien auf der Seite der antibritischen „Söhne der Freiheit“. Das bekam ihnen nicht besonders gut, und man sieht daran – wie schon bei Oliver Cromwells Vorgehen gegen die britischen Zeitungen nach der Enthauptung von Charles I. –, dass es mit der Freiheitsidee rasch zu Ende gehen kann, wenn die Freiheitskämpfer an die Macht gekommen sind. John Rivingston zum Beispiel gab den
New York Gazetteer
heraus, eine der am besten gemachten Zeitungen in den Kolonien. Er war eher probritisch

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