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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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eingestellt, gab aber auch den „Patrioten“ Raum, ganz im Sinne seines Prinzips einer „offenen und unbeeinflussten Presse“. Je mehr Druck die Freiheitssöhne machten, desto deutlicher bezog Rivingston Position für die Briten. Nach Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges zerstörten sie seine Druckerei, sperrten ihn ein und zwangen ihn, eine Loyalitätserklärung zugunsten des Kontinentalkongresses zu unterzeichnen.
    Was die amerikanischen Zeitungen im 18. Jahrhundert taten, hatte die Welt noch nicht gesehen. Zeitungen als Speerspitzen des Umsturzes, das ist bis auf den heutigen Tag eine schwierige Position: Anders als Flugschriften und Pamphlete mussten und müssen Zeitungen regelmäßig erscheinen, ihre Herausgeber konnten und können sich vor den Autoritäten nicht verstecken, und als Eigentümer mittelständischer Unternehmen haben sie üblicherweise ein gewisses Interesse an der Stabilität der Verhältnisse, sympathisieren also, wenn man so will, strukturell mit dem Konservativismus. Zeitungen neigen eher dazu, sich als Mittel des Zusammenhaltes einer Gesellschaft zu verstehen. Gerade in den aktuellen Debatten über die Zukunftsfähigkeit von traditionellen Medienunternehmen gilt „community building“ als eines der wichtigsten Überlebensrezepte.

    Im ersten Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten wurde die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert.
    Am Ende, kann man sagen, haben sich auch die amerikanischen Zeitungen des 18. Jahrhunderts mit den Autoritäten arrangiert – aber nicht sofort. In den unruhigen Jahren nach der Revolution blieben Zorn und Aufruhr bestimmende Elemente in den amerikanischen Zeitungen. Beide Parteien, Föderalisten und Republikaner, hatten ihre je eigenen Zeitungen, und die zeigten keinerlei Respekt für die Ansichten der je anderen Seite. Als George Washington 1796 sein Amt niederlegte, las man in der
Aurora
, einer republikanischen Zeitung in Philadelphia, die von einem Nachkommen Benjamin Franklins herausgegeben wurde: „Der Mann, der die Quelle allen Unglücks für dieses Land ist, wird heute auf das Maß seiner Mitbürger reduziert und ist nicht länger besessen von der Macht, das Böse für die Vereinigten Staaten zu vervielfachen.“
    Die Pressefreiheit war zwar nicht in der Originalverfassung von 1787 enthalten, aber sie wurde Teil des 1791 verabschiedeten ersten von zehn „Amendments“. Dennoch wurde den „Federalists“ die Kritik der republikanischen Journalisten und Herausgeber bald zu viel – sie versuchten sie mundtot zu machen. Und so kam es 1798 zur größten Einschränkung der Pressefreiheit in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dem „Sedition Act“, der „jede falsche, skandalöse und böswillige Berichterstattung gegen die Regierung der Vereinigten Staaten“, den Kongress oder den Präsidenten, „mit dem Ziel, sie verächtlich zu machen oder in Verruf zu bringen“, mit Geld- und Gefängnisstrafen bedrohte. Zumindest 15 Zeitungsleute wurden schuldig gesprochen in einer Sache, der sich ein halbes Jahrhundert zuvor im Fall Zenger die Geschworenen verweigert hatten.
    Es war Thomas Jefferson, der dem ein Ende setzte. Man sagt, dass er 1800 nicht zuletzt deshalb zum Präsidenten gewählt wurde, weil er zu erkennen gegeben hatte, dass er den „Sedition Act“ außer Kraft setzen würde. „Ich habe mich bewusst zum Subjekt eines großen Experiments gemacht“, schrieb Jefferson 1807, „um die Falschheit der Annahme zu demonstrieren, dass die Freiheit der Presse mit ordentlicher Regierungsausübung unvereinbar sei.“
    Dieses große Experiment wurde begonnen, als auf dem europäischen Kontinent von Pressefreiheit noch lange keine Rede sein konnte. Es dauert, auch wenn es – etwa in Kriegszeiten – gelegentlich ausgesetzt wurde, bis heute an. Und es ist, gerade in den Vereinigten Staaten und in England, wo die Pressefreiheit so früh verwirklicht wurde, nach Ansicht vieler Medienmacher heute so gefährdet wie lange nicht. 16
„Bürgerliche Öffentlichkeit“
    Auf dem europäischen Kontinent verlief das 18. Jahrhundert, was die Entwicklung der Zeitung betrifft, deutlich weniger aufregend. Erst in seinem letzten Viertel, im Vorlauf zur Französischen Revolution, entwickelten die Zeitungen die politische Kraft, die in den amerikanischen Kolonien schon sehr früh zur Entfaltung gekommen war. Davor fand das statt, was die Gesellschaftswissenschaften die Herausbildung der „bürgerlichen Öffentlichkeit“ nennen. Auf ihr fußt Jürgen

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