Die Zeitwanderer
Gerüchte grassierten - und viele wussten, dass eine Grabung stattfand -, kannten nur vier Menschen auf der Welt die genaue Lage der Ausgrabungsstätte. Trotz dieser Geheimniskrämerei hatte sich gezeigt, dass es für einen Mann mit Burleighs Fähigkeiten und Überzeugungskraft keine große Schwierigkeit darstellte, sich eine Einladung zu verschaffen, um der Graböffnung beizuwohnen. Zweifellos spielte sein Wissen um die Geschichte und die Kunstwerke Ägyptens eine Hauptrolle dabei, Carnarvon davon zu überzeugen, dass er, Burleigh, aufrichtig daran interessiert war, die im Entstehen begriffene Wissenschaft der Archäologie zu unterstützen. Und was Lady Evelyn, Carnarvons Tochter, betraf, schadeten zudem weder Burleighs Charme noch sein gutes Aussehen der eigenen Sache. Nach einigen Drinks und einem Dinner auf der Hotelterrasse schien es für Carnarvon das Natürlichste auf der Welt zu sein, Burleigh - einen Landsmann und Angehörigen der eigenen Klasse - dazu einzuladen, sie zu begleiten und Augenzeuge einer Begebenheit zu sein, die sicherlich ein monumentales Ereignis sein würde.
»Haben Sie schon zuvor Grabungen besucht, Lord Burleigh?«, fragte nun Evelyn, die ein Hemd und eine Hose aus locker herabhängendem Leinen trug und ihr Haar unter einem Kopftuch verbarg. Sie hatte auf dem Notsitz der hin und her rüttelnden Limousine Platz genommen und saß ihrem Vater und seinem Gast direkt gegenüber.
»Ein- oder zweimal«, erwiderte Burleigh. Er verzichtete darauf, die Tatsache zu erwähnen, dass seine Besuche nach Mitternacht stattzufinden pflegten, wenn die Wächter der Ausgrabungsstätte durch Bestechung dazu gebracht worden waren, in eine andere Richtung zu gucken. »Ich finde das alles natürlich ungemein faszinierend, aber ich scheine niemals am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Heute wird die große Ausnahme sein«, teilte Carnarvon voller Stolz mit. »Ich erwarte große Dinge. Große Dinge! Es macht mir nichts aus, Ihnen zu verraten, dass ich letzte Nacht kaum ein Auge zugemacht habe. Das gelingt mir nur selten bei solchen Anlässen.«
»Vater ist wie ein quengeliges Kind kurz vor der Weihnachtsbescherung«, vertraute Evelyn dem Gast unbeschwert an. »Er hat immer das Gefühl, jemand anders wird vor ihm da sein und ihm alle Geschenke unter dem Baum klauen. Ich selbst habe wie ein Baby geschlafen.«
»Man hält dies für ein königliches Grabmal«, sagte Carnarvon. »Das ist sehr selten. Zwar können wir nicht vollständig sicher sein, bis wir es geöffnet haben, doch Carter ist überzeugt - zumindest so überzeugt, wie man es in diesem Stadium der Grabung sein kann -, dass wir etwas sehr Außergewöhnliches gefunden haben.« Mit seinen Fingerspitzen klopfte er sich leicht aufs Knie. »Wirklich etwas sehr Außergewöhnliches.«
»Und ich muss Ihnen erneut dafür danken, dass Sie mir erlauben, ein Zeuge dieses historischen Ereignisses zu sein«, erklärte Burleigh. »Das ist unglaublich großzügig von Ihnen.«
»Unsinn!«, blaffte Lord Carnarvon. »Ich will nichts davon hören. Ihre Anwesenheit passt ausgezeichnet zu meinen Absichten. Wir wollen eine glaubwürdige Bestätigung für unsere Funde, wissen Sie - gerade so, wie wir uns Geheimhaltung wünschen bis zu dem Augenblick, wo das Grab geöffnet ist.«
»Öffentliche Aufmerksamkeit, mit anderen Worten«, fügte Lady Evelyn in einem leicht spöttischen Tonfall hinzu. »Wenn es um seine Aktivitäten geht, ist Vater einer kleinen öffentlichen Aufmerksamkeit niemals abgeneigt. Er ist jemand, der den Nervenkitzel sucht. Aus demselben Grund war er es früher gewohnt, mit Autos um die Wette zu fahren, wissen Sie.«
»Aber, aber!«, tadelte ihr Vater sie. »Wir wollen unseren Gast doch nicht mit alten Kamellen langweilen.« Er blickte zu Burleigh und fragte ihn: »Haben Sie jemals an Rennen teilgenommen?«
»Pferderennen, ja«, antwortete er; die Lüge ging ihm glatt über die Lippen. »Als ganz junger Bursche - bis ich zu groß wurde. Doch mit Autos? Niemals - obschon ich mich oft gefragt habe, ob ich es vielleicht versuchen sollte. Aber jetzt bin ich nicht mehr der Jüngste.«
»Papperlapapp«, spottete Lady Evelyn. »Man ist niemals zu alt für Autorennen. Vater hat es nur aufgegeben, weil er bei einem Unfall schwer verletzt worden ist. Ansonsten hätten Sie ihn just in diesem Moment in einer Schmierfettgrube an der Rennstrecke von Brooklands vorfinden können - daran hege ich nicht den geringsten
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