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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Ehemann angebotenen Taschentuch ab.
    »Das ist nichts, was man bereuen müsste, mein Liebes.« Er packte sie am Ellbogen und zog sie hoch. »So. Besser?« Als sie ohne Überzeugung nickte, fuhr er fort: »Das Wichtigste ist, sich daran zu erinnern, dass es nicht immer so sein wird. Deine Fertigkeiten werden sich verbessern, wie du sehen wirst. Und dein Körper wird bald darin geübt sein, den Wechsel zu überstehen.«
    »Ich hoffe es um deinetwillen.« Xian-Li zeigte ein schwaches Lächeln. »Aber selbst wenn es niemals besser werden sollte, will ich immer noch mit dir kommen. Ich kann ein wenig Reisekrankheit freudig ertragen, wenn das der Preis ist, den ich zu bezahlen habe, um dich auf deinen Reisen zu begleiten.«
    Ihre Entschlossenheit erfüllte Arthur mit Stolz. Seine junge Frau war eine Kämpferin, daran gab es keinerlei Zweifel. Wie sie es ja auch an jenem Tag in der finsteren Seitengasse so eindrücklich bewiesen hatte, als sie den abscheulichen Burleigh und seine Schläger mit nichts als Mut und bloßer Gewandtheit vertrieben hatte. Sie war eine tapfere Kriegerin, die mit kühlem Herzen handelte. Schon allein deswegen war er froh, sie an seiner Seite zu haben.
    »Sind wir da?«, fragte sie und schaute sich zum ersten Mal um. Sie schienen mitten in einer riesigen Wüste zu stehen - mit nichts als braungelben, von zerbrochenen Felsen übersäten Hügeln in jeder Richtung. »Ich sehe den Tempel nicht.«
    »Der alte Tempel ist in der Stadt, und der neue ist noch nicht gebaut worden«, erzählte er ihr. »Doch man wird ihn bauen, und zwar bald. Wir befinden uns jetzt zurzeit der 18. Dynastie, wie wir diese Periode nennen würden - wahrscheinlich irgendwann um das zwanzigste Regierungsjahr von Amenophis III. Ich werde es erst genau wissen, wenn wir mit meinem hiesigen Freund sprechen.« Er warf sich das kleine Bündel, das er mitgebracht hatte, über die Schulter. »Fertig? Die Stadt liegt direkt hinter diesen Hügeln.«
    »Ach ja, der Priester«, sagte Xian-Li und begann, neben ihrem Mann im gleichen Tempo zu marschieren. »Ich erinnere mich.«
    »Du wirst ihn mögen. Er ist ein weiser und freundlicher Mann - und er steht, wie es der Zufall will, sehr weit oben in der königlichen Familie. Seine Mutter war mit Juja verheiratet, dem Großwesir von Ägypten, dem zweiten Mann im Staate hinter dem Pharao. Und seine Schwester ist die ›Große königliche Gemahlin‹ des gegenwärtigen Pharao.«
    »Er scheint sehr mächtig zu sein«, überlegte Xian-Li laut.
    »Es ist nützlich, Freunde in hohen Positionen zu haben«, erklärte Arthur leichthin. »Ich wäre nicht überrascht, wenn er eines Tages Hoher Priester würde.«
    Im Licht der Morgendämmerung gingen sie los. Das Land war so trocken wie ein von der Sonne verbrannter Knochen. Abgesehen von einem einzelnen verdorrten, staubbedeckten Akazienstrauch war nirgendwo auch nur ein einziges grünes Blatt zu sehen. Doch die frühmorgendliche Luft war voller Leben: Es gab Schwärme von Sperlingen und Staren, und hoch oben am Himmel sandten Lerchen ihr heiteres Lied nach unten.
    »Insekten«, sagte Arthur - eine Antwort auf den verwunderten Blick seiner Frau. »Sie ziehen die Vögel an. Allerdings werden sie noch vor der Mittagszeit verschwinden und sich bis zum Sonnenuntergang am Abend nicht wieder sehen lassen. Die Vögel übrigens auch.«
    »Woher kommen die Insekten«, wollte Xian-Li wissen.
    »Man würde es nicht erraten, wenn man sich hier umsieht«, erwiderte Arthur und zeigte auf die öde Landschaft, die sie umgab. »Aber direkt jenseits dieser Linie von Hügeln vor uns gibt es einen der größten Flüsse der Welt, der eines der fruchtbarsten Täler der Welt mit Wasser versorgt.«
    »Den Nil«, erklärte Xian-Li voller Stolz.
    »Genau«, bestätigte Arthur. »Du hast dazugelernt.«
    Als sie den Fuß des nächsten Hügels erreichten, fanden sie einen schmalen und stark gekrümmten Schafspfad, der sich den Hang hinaufwand.
    »Unsere Leiter zu den Sternen«, meinte Arthur. »Nach dir, mein Liebling.«
    Sie folgten dem Pfad, und als sie die Hügelspitze erreichten, legten sie eine Rast ein, um die Landschaft in Augenschein zu nehmen. Im Norden, am breiten Ausgang eines Tales, der zur Wüste hin führte, stand ungeordnet eine ganze Reihe von niedrigen Steingebäuden; an einigen von ihnen wurde offensichtlich noch gebaut. Gen Süden breitete sich im Glanz des frühen Sonnenlichts eine Stadt aus, die von den Ägyptern Niwet-Amun genannt wurde - die Stadt des Amun.

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