Die Zeitwanderer
Cosimo den Kopf und rannte auf den Tempel zu.
Weit kam er nicht.
In vollem Lauf spürte Cosimo, dass sein Fuß von hinten erwischt und unter ihm weggerissen wurde. Das zerbrochene Straßenpflaster unter seinen Füßen kam rasch hoch und schlug ihn gegen das Kinn. Er rollte sich auf den Rücken und trat mit seinen Beinen aus, als der Burley-Mann auf ihn niederfuhr. Einer seiner wilden Tritte traf den in einen schwarzen Mantel gehüllten Angreifer und stieß ihn ein oder zwei Schritte zurück.
Cosimo rappelte sich wieder auf die Füße und stellte sich mit schwingenden Fäusten dem Kampf. Es gelang ihm, ein oder zwei Treffer zu landen, bevor er von hinten gepackt und weggerissen wurde. Er schlug um sich und versuchte so, sich aus dem stählernen Griff zu lösen. Eine Bewegung an seiner Seite erahnte er mehr, als dass er sie sah; dann hörte er ein hohes, pfeifendes Geräusch. Er duckte sich genau in dem Augenblick, als der Silberknauf von Sir Henry Fayths Spazierstock an seinem Ohr vorbeiblitzte und direkt in der Stirnmitte des Burley-Manns einschlug. Der Bursche jaulte auf und löste seinen Griff. Die Arme über dem Kopf, sank er fluchend auf die Knie.
»Genug!« Der Ruf war wie das Krachen eines Gewehrschusses in der Stille. »Es ist vorbei.«
Cosimo blickte über seine Schulter nach hinten und sah drei weitere Burley-Männer, die in der Mitte der Allee standen. Einer von ihnen umklammerte eine Kette, an deren Ende der große gefleckte, braune Höhlenlöwe zerrte. Mit angespannten Muskeln, gesenktem Kopf und bösartigem Interesse beobachtete die große Katze die beiden Männer, während sie sich mit ihrer roten, samtigen Zunge über die dolchgleichen Zähne fuhr. Hinter den Männern kam klappernd ein Fuhrwerk herbei, das von Mulis über die uneben gepflasterte Allee gezogen wurde. Es wurde von einem vierten Burley-Mann gesteuert; quer über seinen Schoß lag ein Gewehr.
»Mal, Dex - haltet euch zurück!«, befahl der Mann, der offensichtlich der Anführer der Bande war. »Con, hol das Zeug vom Wagen!« In seiner Kleidung - ein locker herabhängendes Hemd, große Stiefel, ein breitkrempiger Strohhut und ein rotes Taschentuch, das er sich um den Hals geknotet hatte - sah er eher wie ein einfacher Landarbeiter aus als wie der Sadist, der er war. Das Gesicht unter dem Hut wirkte so teilnahmslos wie die Steinstatuen um sie herum. Er stieg vom Wagen und schritt herbei, um seine Gefangenen anzusprechen. »Ich bin Tav«, stellte er sich vor. »Wer von Euch ist Cosimo?«
Sir Henry und Cosimo tauschten einen Blick aus, doch keiner von ihnen sprach ein Wort.
»Baby ist hungrig«, sagte Tav. »Ich hätte nicht übel Lust, sie zu füttern. Wenn Ihr lieber nicht auf dem Speiseplan stehen wollt, dann antwortet mir, wenn ich zu Euch rede, und zwar ohne zu zögern. Ich frage Euch erneut: Wer von Euch ist Cosimo?«
»Ich verhandle nicht mit Strolchen, Sir«, erwiderte Cosimo.
Die Hand des Burley-Manns schnellte so rasch vor, dass Cosimo sie nicht kommen sah. Der Schlag ließ seinen Kopf nach hinten schleudern, und einen Moment später schmeckte er Blut auf seiner Zunge.
»Achtet auf Eure Manieren, Freund«, warnte Tav. »Wir werden gleich einen kleinen Spaziergang machen, und Ihr kommt mit uns, ob es Euch gefällt oder nicht. Nun, Ihr könnt die Sache einfacher für Euch selbst machen - oder schwieriger. Es liegt ganz an Euch. So oder so; es schert mich einen feuchten Kehricht.«
Der Wagen kam klappernd zu ihnen, und der Mann, der Con genannt wurde, eilte mit zwei Seilrollen aus Rohleder herbei.
»Was habt Ihr mit uns vor?«, verlangte Cosimo zu wissen und rieb sich die Lippen.
»Das werdet Ihr noch früh genug herausfinden«, entgegnete Tav und gab seiner gewalttätigen Bande ein Zeichen. Sie legten ihre Mäntel ab, warfen sie hinten in den Wagen und holten Bündel mit leichterer Kleidung heraus. »Ihr beide wollt sicherlich etwas Bequemeres tragen, nicht wahr?«, meinte Tav. »Es wird heiß sein.«
»Uns passt es gut, so wie wir sind«, erwiderte Cosimo mit mürrischer Entschlossenheit.
Tav nickte und rief seinen Männern zu: »Fertig, Jungs?«
Dann kehrte er dem Tempel den Rücken zu und begann, die lange Allee zurückzugehen, die an beiden Seiten mit Sphinxen gesäumt war. Einige von ihnen hatten ihre Köpfe oder Füße verloren; andere waren zerfallen, ihre Formen im Laufe der Zeit vom Wind und Sand erodiert. Doch viele von ihnen waren relativ unversehrt und an ihrem Platz; sie bewachten noch immer den Weg zum
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