Die Zeitwanderer
aufzuwecken.«
»Wir brauchen Wasser«, erklärte Sir Henry, dessen Augen sich auf den Trinkschlauch hefteten. »Und ärztliche Hilfe - mein Freund Cosimo ist krank.«
»Es tut mir leid, das zu hören«, erwiderte Burleigh mit vorgetäuschter Ehrlichkeit. »Doch ich habe befürchtet, dass so etwas geschehen würde. Etwas ist hier unten, versteht Ihr. Ich kann nicht sagen, was es ist: der Gifthauch einer Seuche, ein Fluch - wer weiß? Ich persönlich hege den Verdacht, es handelt sich um irgendeine Mischung, welche die alten Ägypter eingesetzt haben, um ihre Grabstätten zu schützen.«
»Er benötigt ärztliche Behandlung«, insistierte Sir Henry.
»Ohne Zweifel. Ohne Behandlung ist seine Krankheit tödlich.« Burleigh hob den Trinkschlauch und hielt ihn knapp außerhalb der Reichweite des Mannes an den Gitterstangen. »Seid Ihr bereit, Vernunft anzunehmen?«
»Bitte, helft uns.«
»Sagt das Wort, und Ihr werdet jede Hilfe erhalten, die Ihr benötigt«, versprach Burleigh.
Ein leises Stöhnen entstieg Cosimos Lippen.
Sir Henry schaute nach hinten auf seinen Freund. »Also gut. Was soll ich für Euch tun?«
»Erzählt mir, wo Euer Stück von der Karte versteckt ist«, erwiderte Burleigh. »Lasst uns damit beginnen - wollen wir?«
»Dann werdet Ihr uns gehen lassen?«
»Nicht so schnell«, tadelte Burleigh. »Das Wichtigste zuerst. Wenn sich Eure Information als nützlich erweist, dann, ja, werde ich Euch gehen lassen.« Er lächelte. »Wo ist Eure Karte?«
»Wir haben sie nicht mehr. Sie ist gestohlen worden.«
»Ach, herrje!«, seufzte Burleigh. »Die Antwort genügt in keiner Weise. Da müsst Ihr schon was viel, viel Besseres bringen.« Seine Stimme wurde hart. »Wo ist die Karte?«
»Aber genau das ist die Wahrheit«, behauptete Sir Henry. »Cosimo bewahrte die Karte verschlossen in der Krypta von Christ Church in Oxford auf. Wir sind dorthin gegangen, um sie bei einer Angelegenheit zurate zu ziehen, und haben dabei entdeckt, dass sie fortgenommen und an ihrer Stelle eine mangelhafte Ersatzkarte hinterlegt worden ist. Um die Wahrheit zu sagen - wir hatten Euch im Verdacht, sie gestohlen zu haben.«
»Den letzten Teil zumindest glaube ich Euch«, räumte Burleigh ein.
»Bitte«, sagte Sir Henry und streckte die Hand nach dem Trinkschlauch aus.
»Lasst es uns noch mal versuchen«, schlug Burleigh mit heiterer Stimme vor. »Was wisst Ihr über den Quell der Seelen?«
»Den Quell der Seelen?«, wiederholte Lord Castlemain verwirrt.
»Ihr habt sicherlich davon gehört, nicht wahr?«
Durch das Geräusch der Stimmen war Cosimo nun endlich wach geworden. »Lasst uns gehen, Burleigh«, verlangte er und mühte sich auf die Ellbogen hoch. »Uns hier zu behalten wird Euch nichts bringen.«
»Cosimo!«, rief Sir Henry und trat rasch an die Seite seines Freundes. »Hier, erlaubt mir, Euch zu helfen.« Er hievte Cosimo hoch, legte den Arm um seine Schulter und führte ihn näher an die Gittertür heran.
»Was habt Ihr ihm erzählt?«, wollte Cosimo wissen.
»Ihr seid mehr als willkommen, Euch an dem Gespräch zu beteiligen«, lud Burleigh ihn ein und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich habe mich gerade nach dem Quell der Seelen erkundigt. Als Gegenleistung für Eure Informationen biete ich medizinische Hilfe an - und noch mehr.« Er wedelte mit dem Trinkschlauch in seiner Hand. »Ich möchte in Erfahrung bringen, was Ihr über den Quell der Seelen wisst.«
»Er ist ein Mythos«, erklärte Cosimo und presste sich die Hand gegen den Kopf. »Die Erzählung eines Reisenden. Nicht mehr.«
»Und dennoch«, entgegnete Burleigh sanft, »bilden sich Mythen im Allgemeinen um einen wahren Kern, um harte Fakten, nicht wahr? Ich habe die Absicht, zu der Wahrheit im Herzen dieses speziellen Mythos zu gelangen.«
Cosimo blickte zu Sir Henry, schürzte seine gesprungenen Lippen und sagte schließlich: »In Ordnung, ich erzähle Euch, was ich weiß. Aber erst müsst Ihr uns das Wasser geben.«
»Nein«, entgegnete Burleigh entschieden. »Redet zuerst, dann bekommt Ihr das Wasser.« Er reichte den kleinen Becher durch die Gitter.
»Meine Kehle ist ausgedörrt, und das Fieber verbrennt mich.« Cosimo fuhr mit dem Arm durchs Gitter und streckte die Hand nach dem Trinkschlauch aus. »Gebt mir zuerst etwas zu trinken.«
»Erst, wenn Ihr mir gesagt habt, was Ihr wisst.«
Cosimo, der auf seinen Füßen schwankte, gab nach. »Der Quell der Seelen ist eine Legende mit verschiedenen Fassungen unterschiedlicher Herkunft«,
Weitere Kostenlose Bücher