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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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flachen Hand gegen die Tür schlug. Als diese Methode zu keinem Ergebnis führte, nahm er einen losen Kopfstein auf und begann damit gegen die Bretter zu hämmern; die Tür klapperte in ihren Angeln.
    Augenblicklich erscholl von innen ein Schrei, und einen Moment später flog die Tür auf. »Hier! Hier sofort! Wat wollt Ih' denn?«
    »Es tut mir leid, Euch zu dieser späten Stunde zu stören, guter Mann«, entschuldigte sich Cosimo. »Ich frage mich, ob ich Euch wegen eines Laibes Brot behelligen darf?«
    »Ich bin ... geschlossen!«, rief der Mann, der irgendwie benommen wirkte. »Ihr habt mich aufgeweckt - ja, dat habt Ihr, genau!«
    »Ich entschuldige mich auf das Herzlichste und bitte Euch um Verzeihung«, erwiderte Cosimo. »Aber da ich sehe, dass Ihr nun aufgewacht seid - darf ich das Brot kaufen? Ein alter Laib wird genügen.«
    »Na gut«, brummte der Bäcker Thomas und schlurfte nach innen zurück. Wenige Augenblicke später kam er mit einem runden Stück Brot zurück. »Macht 'nen halben Penny für Euch.«
    »Hier sind zwei Pence für Eure Mühen«, sagte Cosimo und reichte ihm die Münzen. »Ihr könnt mir später danken.«
    »Tch!«, zischte der Bäcker und schlug die Tür zu.
    Cosimo kehrte mit dem Brot unter seinem Arm zur Kutsche zurück. »Das sollte vollauf genügen«, gluckste er, während er wieder in den Wagen kletterte. »Fahrt weiter!«
    Als die Kutsche abermals ruckelnd anfuhr, rätselte Kit über die Bedeutung des Affentheaters, das er gerade miterlebt hatte. Er kam zu keinem Ergebnis und fragte schließlich: »Was sollte das eben? Was willst du mit altem Brot anfangen?«
    »Oh, das?« Sein Urgroßvater blickte kurz auf den Laib, der neben Kit auf dem Sitz lag. »Aber ich will es ja überhaupt nicht.«
    Nach diesen Worten ergriff er den Laib, rief »Kostenloses Brot!« und warf ihn durchs Kutschenfenster einer Schar armselig gekleideter Frauen zu. Sie hatten sich um eine Laterne versammelt, die einen bleichen Lichtkreis auf die unbedeckten Köpfe und Schultern der Frauen warf.
    Eine von ihnen fing das Brot und begann sofort, es unter den anderen aufzuteilen. »Dank-eh!«, rief sie und lächelte so breit, dass ihre Zahnlücken erkennbar wurden.
    »Kannst du dich denn an nichts mehr erinnern, was du in der Schule gelernt hast?«, fragte Cosimo.
    »An nicht viel«, gestand Kit.
    »Der zweite September ... 1666 ... Pudding Lane? Erinnerst du dich nicht?«
    »Tut mir leid, bislang nicht.« Weder beim Datum noch beim Ort klingelte es bei ihm.
    »Der Große Brand von London, mein lieber Junge. Nie davon gehört? Was lehren sie eigentlich heutzutage in den Schulen?«
    »Davon habe ich gehört.« Kit überlegte einen Moment. »Durch das Aufwecken des Bäckers hast du also das Feuer verhindert - ist es das?«
    »Alle Achtung! Vielleicht bist du ja doch kein hoffnungsloser Fall.«
    »Aber ist es nicht gefährlich, sich in die historischen Geschehnisse einzumischen?«
    »Wieso?«
    »Du veränderst den Lauf der Geschichte«, entgegnete Kit. »Ich dachte, so etwas wäre streng verboten.«
    »Von wem verboten?«, fragte Cosimo. »Wer kann schon behaupten, dass die Wirklichkeit, in der wir uns vorfinden, die bestmögliche ist.«
    »Ja, aber -«
    »Sieh doch! Wenn eine einfache Gefälligkeit oder großzügige Tat wie zum Beispiel der Kauf eines Brotlaibes für ein paar arme Arbeiterinnen bedeuten kann, dass der Tod von Menschen und eine gewaltige Zerstörung vermieden werden - warum sollte dann ein Mensch, der es in seiner Macht hat, all dieses Leid zu verhindern, bloß daneben stehen und nichts unternehmen? So jemand wäre ein Monster!«
    Der Gedanke an die Einmischung in die Geschichte beschäftigte Kit, bis die Kutsche langsam auf ein großes, von Fackeln erleuchtetes Haus zurollte, über dessen Eingangstür ein bemaltes Schild hing. Darauf stand The Pope's Nose geschrieben; zudem war ein Bild auszumachen, das jedoch im flackernden Licht der Fackeln nur schwer zu erkennen war - es schien allerdings das gerupfte Hinterteil einer ziemlich überraschten Gans zu zeigen.
    »Ah, wir sind da, Gentlemen!«, rief Sir Henry, schnappte sich seinen Spazierstock und sprang in dem Moment auf, als die Kutsche knarrend anhielt. »Das ist mein bevorzugtes Speisehaus. Die Kost ist ungemein gut. Doch ich fürchte, dass es hier äußerst geräuschvoll und wahrscheinlich voller Gäste ist. Ich hoffe inständig, dass es Euch nichts ausmacht.«
    »Nicht im Geringsten«, erklärte Cosimo. »Wie üblich, Sir Henry, habt Ihr meine

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