Die Zeitwanderer
der mit einem Turban bedeckte Bursche Holzschüsseln vor sie, die mit einer Suppe gefüllt waren.
Sir Henry beugte das Gesicht über seine Schüssel und sog den Duft ein. »Ah! Immergrün! Meine Lieblingssuppe.« Aus einer Innentasche seines Mantels holte er einen großen Silberlöffel hervor und begann, die Suppe zu essen.
Als keine weiteren Löffel - oder etwas Ähnliches - zu kommen schienen, starrte Kit einfach auf sein wässriges Spiegelbild in der hellgelben Flüssigkeit.
»Ist es nicht nach Eurem Geschmack, meine Freunde?«
»Mitnichten!«, antwortete Cosimo. »Es tut mir schrecklich leid, Sir Henry; doch in unserer Hast - um Euch zu treffen - haben wir das Haus ohne unsere Löffel verlassen.«
»Ganz recht«, pflichtete Kit ihm bei.
»Das werden wir bald zu richten wissen«, erklärte Sir Henry, hob seine Hand und schnipste mit den Fingern. »Zwei von Euren besten Löffeln für meine Freunde hier, William, wenn ich bitten darf.«
»Kommt sofort, Sir Henry!«, rief William mit lauter Stimme, damit er trotz des allgemeinen Lärms gehört wurde. Kurz darauf brachte er zwei kunstvoll konstruierte, große Silberlöffel. »Petrus oder Paulus?«, fragte der Gastwirt und wischte die Löffel an seiner schmutzigen Schürze ab.
»Wie bitte?«, entgegnete Kit.
»Welcher Apostel, Sir? Petrus?« William hielt einen der Löffel hoch. »Oder würdet Ihr den heiligen Paulus vorziehen?«
»Äh ... mh ... ja«, stammelte Kit und blickte Rat suchend zu seinem Urgroßvater, der jedoch nur erwartungsvoll nickte. »Paulus, würde ich sagen ... Nein! Petrus soll es sein - ganz bestimmt. Für mich kommt nur Petrus infrage!«
»Eine sehr weise Wahl, Sir«, erklärte der Gastwirt und übergab ihm einen der mit tiefen Schöpfteilen ausgestatteten Löffel. Bei näherer Betrachtung entdeckte Kit, dass der Stiel wie ein bärtiges Abbild des besagten Apostels geformt war.
Kit tauchte seinen Löffel in die dampfende Brühe und führte ihn zum Mund. Für seinen ungebildeten Gaumen hatte die Suppe den moschusartigen Geschmack von Muscheln, die mit alten Socken geschmort worden waren. Kit vermochte nicht, Ähnliches wie Sir Henry zu erschmecken, der mit großem Genuss über die Delikatesse herfiel, und kostete aus Gründen der Höflichkeit ein paar Löffel davon. Während seine Gefährten die Suppe hinunterschlürften, sah Kit sich im Raum um und betrachtete die anderen Speisenden: Es waren ausnahmslos Männer, und sie hatten alle, mit wenigen Abweichungen, die gleiche dunkle Wollkleidung an. Jeder trug stolz einen kunstvollen Spitzenkragen und einen prachtvollen, schier überquellenden Bart. In dieser Hinsicht, befand Kit, lassen sich die Männer wirklich nicht lumpen. Die allgemeine männliche Bevölkerung schien sich tatsächlich in einer Art von Friseurwettbewerb zu befinden, bei dem es darum ging, das absonderlichste Barthaar zu bekommen. Und nach den hier ausgestellten Ergebnissen zu urteilen, hatte der Wettstreit bereits ein sehr weit fortgeschrittenes Stadium erreicht.
Man konnte Männer mit Koteletten sehen, die so dicht waren, dass es aussah, als würden sie aus struppigen Büschen hervorspähen. Andere trugen Schnurbärte, die schon seit Langem ihre Münder verdeckten und ihre Kinne einzuhüllen drohten. Es gab zugespitzte Bärte, bleistiftdünne Bärte, reich verzierte Bärte, Ziegenbärte und voll ausgebildete Patriarchenbärte. Mehrere hatten ihr Gesichtshaar makellos gekräuselt. Ein ganz besonders stark behaarter Bursche hatte seinen Nackenpelz ganz lang wachsen lassen und ihn über den Schädel nach vorne ins Gesicht hineingebürstet. Kit fuhr mit den Fingern über seinen eigenen ungepflegten Haarschopf, und ihm wurde bewusst, dass er in den Augen der anderen ein ziemlich bemitleidenswertes Exemplar darstellte.
Die Suppenschüsseln wurden schließlich weggenommen und durch eine Servierplatte ersetzt, auf der sich dampfende, halb geöffnete Mies- und Venusmuscheln häuften. Am Plattenrand befanden sich aus den Schalen gelöste Austern; dazwischen lagen verstreut kleine, runde Fleischklumpen, die hell und glitschig waren und deren Herkunft Kit nicht zu erkennen vermochte. Sir Henry und Cosimo fielen mächtig über das Essen her, und bald schon klapperten die weggeworfenen Muschelschalen wie Kastagnetten.
Kit, dessen Vorstellung von genießbaren Schalentieren sich auf Garnelen in Currysoße aus dem China-Imbiss beschränkte, starrte auf den kleinen Berg aus glitzernden, auseinanderklaffenden Schalen, der sich vor
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