Die Zeitwanderer
Mina.
»Wir fangen an, nach einem Ort für meine Bäckerei zu suchen.«
»Jetzt?«
»Warum nicht? Es ist ein guter Tag.«
»Na schön«, stimmte sie zu. »Wo sollen wir beginnen?«
»Wir fangen hier an.«
Nachdem sie die Mulis und den Wagen bei einer nahe gelegenen Pferde- und Nutztierstation zurückgelassen hatten, machten Engelbert und Wilhelmina einen ausgiebigen Rundgang über und rund um den Platz. Sie suchten jedes Geschäft auf, das an dem großen Marktplatz lag, der das geschäftige Handelszentrum von Prag bildete, und sprachen mit vielen Ladenbesitzern. Ja, dieser Marktplatz - der Altstädter Ring hieß - war der beste in der ganzen Stadt, sogar der beste in der ganzen Region. Und ja, es war sehr teuer, ein Geschäft in solch einer Spitzenlage zu betreiben. Nein, niemand wusste von irgendwelchen leeren Geschäftsräumen oder Läden am Platz. »Der Hausbesitzer kann jeden Preis verlangen, den er sich als Miete wünscht«, klagte der Fleischer, der vor seinem Geschäft arbeitete, das kaum größer als ein Fuhrwerkkasten war. »Doch selbst bei solch hohen Preisen bleiben die Läden hier nicht lange leer.«
Seine Ansichten und Erklärungen wurden mit nur geringen Abweichungen von jedem wiederholt, den sie ansprachen. Am Ende waren sie gezwungen, sich einzugestehen, dass Engelbert selbst dann, wenn ein Laden frei sein würde, nicht in der Lage wäre, ihn sich angesichts der begrenzten Geldmittel zu leisten, die er aus Rosenheim für das geplante Unternehmen mitgebracht hatte.
»Alles ist sehr teuer, weshalb ich anfange zu glauben, dass es ein Fehler gewesen ist, hierher zu kommen«, gestand er schließlich. Der Gedanke warf einen Schatten auf seine ansonsten heitere Stimmung.
»Wie kannst du das nur sagen?«, schalt ihn Mina. »Das hier ist eine große Stadt, und wir haben uns nur einen einzigen Platz angesehen.«
»Wir haben uns den besten Platz angeschaut«, erwiderte er seufzend. »Jeder sagt das.«
»Das mag sein«, gab sie zu. »Aber es gibt sicherlich andere, die genauso gut sein können. Wir müssen nur unsere Suche ausdehnen.«
Engelbert ließ sich dazu verleiten, erneut aktiv zu werden. Die beiden begannen, durch das Netzwerk der miteinander verbundenen Nebenstraßen umherzustreifen. Rasch entdeckten sie, dass es sich dabei ausnahmslos um dunkle, enge Gassen handelte, und die Atmosphäre dort war keineswegs so freundlich wie auf dem großen Platz. Die Geschäfte und Unternehmen waren ärmer und wirkten kümmerlich; sie schienen sogar recht anrüchig zu sein - so wie auch die Menschen, die solche Läden für die unteren Schichten aufsuchten. Innen hinterließen die Geschäftslokale einen mehr oder weniger schäbigen Eindruck; und die Fassaden hatten eine gründliche Reinigung sowie diverse Reparaturen dringend nötig. Überall lag Abfall, und es lungerten einige Frauen herum, die für diese Gegend viel zu fein angezogen waren. Aus den Augenwinkeln erspähte Mina gar ab und an Ratten.
Die Gebäude entlang der Gassen waren sicherlich bedrückend - und aufs Höchste bedrückend für Engelbert, dessen Hoffnungen bei jeder schäbigen, kleinen Straßenschlucht, die sie erkundeten, ein wenig mehr dahinschwanden. Immer häufiger stieß er immer tiefere Seufzer aus. Gleichwohl boten diese schmuddeligen Hintergassen eines, was dem respektableren und blühenden Marktplatz fehlte: billigen Raum, und das reichlich. Tatsächlich schien jedes dritte oder vierte Geschäftslokal entweder leer oder sein Inhaber kurz vor der Pleite zu stehen; und es gab etliche, bei denen man nicht gerade den Eindruck gewann, dass die Besitzer an dem Fortbestehen ihrer Läden hingen.
»Ich habe genug gesehen«, erklärte der mittlerweile entmutigte Bäcker. »Lass uns zurückgehen.«
Mina tat ihr niedergeschlagener Gefährte leid. Zudem sorgte sie sich wegen ihrer eigenen Perspektiven, die jetzt mit seinen verbunden waren. Sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter, bevor beide zu dem großen, von der Sonne beschienenen Platz aufbrachen. Während sie sich einen Rückweg durch das Gewirr der Nebengassen suchten, bogen sie in eine kleine Straße ein, in der sie noch nicht gewesen waren. Als sie die Gasse etwa zur Hälfte durchquert hatten, sahen sie, dass der Weg von einem Pferd und einem Wagen versperrt wurde, die vor einem Geschäft angehalten hatten. Ein Mann im Wagen stapelte Möbel und Kisten aufeinander, die allerdings eine sehr wackelige Pyramide bildeten. Hin und wieder erschien im Ladeneingang eine Frau mit einer
Weitere Kostenlose Bücher