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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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weiteren Kiste, die sie dem Mann reichte, um sie dem instabilen Haufen hinzuzufügen.
    »Ich glaube, sie ziehen aus«, mutmaßte Mina.
    »Das kann ihnen wohl keiner verübeln«, merkte Engelbert mitfühlend an.
    Sie näherten sich dem Wagen und hielten an. »Ich wünsche Euch einen guten Tag, Herr!«, rief Engelbert, der nicht in der Lage zu sein schien, an jemandem vorbeizugehen, ohne ihn zu grüßen. »Behüt Euch Gott.«
    Der Mann schaute von seiner Arbeit auf und gab grunzend eine Antwort. In der Tür tauchte die Frau mit einem zusammengerollten Vorleger auf.
    Aus einer Laune heraus sprach Mina sie an. »Guten Tag«, sagte sie. »Zieht Ihr aus?«
    »Ach so. Deutsch!« Die Frau warf ihr einen finsteren, abfälligen Blick zu und sagte mit einem fremdartigen Akzent: »Bist du blind, Mädchen?«
    Die ruppige Entgegnung ließ Wilhelmina einen Schritt zurücktreten, aber machte sie nur noch entschlossener. »Bitte, es ist nur so, dass wir nach einem Ort suchen, wo wir eine Bäckerei eröffnen können.«
    »Du kannst den Laden hier haben«, meinte die Frau, »falls du dein Wasser halten kannst, bis wir gegangen sind. Und viel Glück für euch.«
    »Ivanka, es gibt keinen Grund unhöflich zu sein«, wies der Mann im Wagen sie zurecht. Er machte eine Pause, um sich mit einem schmutzigen Fetzen das Gesicht abzuwischen. »Es ist nicht ihr Fehler.«
    Die Frau sah ihn an und schürzte die Lippen; dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und ging wieder hinein.
    Der Mann wandte sich Wilhelmina zu. »Der Hausbesitzer ist drinnen. Sprecht mit ihm, gute Frau, und findet alles heraus, was Ihr zu wissen wünscht.«
    Ohne mit Engelbert Rücksprache zu nehmen, bückte sie sich, um den Laden zu betreten. Abgesehen von zwei weiteren kleinen Teppichen und einigen wenigen Holzkisten war das Geschäftslokal leer. Ein bleicher Mann mit langem Gesicht und ordentlich geschnittenem Ziegenbart, der die Länge des ohnehin schon schmalen Kopfes nur noch betonte, stand an einer hölzernen Ladentheke und schrieb mit einem Federkiel in ein winziges Buch. Er trug einen langen schwarzen Mantel und ein weißes Hemd mit einer seltsamen, weiß gestärkten, kleinen Halskrause. Sein Kopf war umhüllt von einem großen, beutelartigen Hut aus grüner Seide, der an einer Seite als Verzierung eine lange weiße Feder besaß.
    »Ja?«, sagte er, ohne aufzuschauen. »Was gibt's?«
    Wilhelmina dachte darüber nach, wie sich ihre Anfrage am besten formulieren ließ, und fragte sich, ob der Mann ihr Deutsch auch verstehen würde.
    »Nun? Heraus mit der Sprache, Frau! Ich bin sehr beschäftigt.«
    »Herr«, begann Mina, »seid Ihr der Hausbesitzer?«
    »Ja, natürlich.« Er betrachtete sie, ohne den Kopf mehr als notwendig zu bewegen. »Wer sonst sollte ich sein?«
    »Das weiß ich sicherlich nicht«, erwiderte Mina. »Ist dieser Laden zu mieten?«
    »Warum? Wollt Ihr ihn?«
    »Ja«, antwortete sie hastig.
    »Sechzig Guldiner.«
    »Entschuldigung?«
    »Sechzig Guldiner für sechs Monate Miete.« Er wandte sich wieder seinem kleinen Buch zu. »Fort mit Euch. Kommt mit Eurem Vater zurück.«
    »Wir werden Euch fünfzig geben«, bot sie an. »Für ein Jahr.«
    »Raus hier!«, schrie er. »Ihr wisst nicht, was Ihr sagt. Raus aus meinem Laden - und kommt nicht zurück.«
    »Wilhelmina!«, rief Engelbert von der Eingangstür. »Was machst du? Geh da weg.«
    Widerstrebend begab sie sich zu Engelbert draußen auf der Straße. »Er will sechzig Guldiner für sechs Monate Miete«, teilte sie ihm mit.
    »Das ist zu viel«, erklärte Engelbert. »Für einen Laden wie diesen ...« - er rümpfte seine Nase - »... ist das zu viel.«
    »Da stimme ich dir zu.« Sie runzelte die Stirn. »Was ist eigentlich ein Guldiner?«
    Etzel blickte sie verwundert an. »Hat man denn dort, wo du herkommst, nicht so etwas?«
    »Man hat dort etwas Ähnliches«, erklärte sie. »Aber keine Guldiner. Was ist das?«
    Er hob seinen Mantelsaum hoch, hantierte einen Augenblick lang herum und brachte einen kleinen Lederbeutel zum Vorschein. Dann band er den Behälter auf und griff hinein. »Das ist ein Groschen«, sagte er und holte eine kleine Silbermünze heraus. »Er ist sechs Kreuzer wert.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Mina und wiederholte für sich Etzels Erklärung in eigenen Worten. »Ein Groschen entspricht sechs Kreuzern.«
    »Aber es gibt noch mehr Münzen«, erläuterte er weiter. »Zehn Groschen entsprechen einem Guldengroschen - oder Guldiner, wie wir sagen.« Er fuhr mit den Fingern

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