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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Strohhut auf und beobachtete weiterhin das Schiff. Bald - wenn nicht heute Abend, dann sicherlich morgen oder am darauffolgenden Tag - würden die Seeleute nach und nach den Weg zu seiner Tür finden. Er dachte daran, ein oder zwei Jungen nach unten zu den Hafenanlagen zu schicken, um für seine Dienste zu werben. Doch besser wäre ein Mädchen. Matrosen mochten junge Mädchen und folgten ihnen bedenkenlos.
    Aber noch war es zu früh. Am besten war es, abzuwarten und zu schauen, was passieren würde. Wenn das erwartete Geschäft nicht eintrat oder es sich für seinen Geschmack als ein wenig zu stockend erwies, könnte er immer noch jemanden losschicken.
    Chen Hu hörte zu rauchen auf und schlug vorsichtig den Pfeifenkopf gegen ein Schemelbein, um die Asche herauszuklopfen. Anschließend erhob er sich und ging in seinen Laden. Er setzte den Hut ab, kniete sich neben der Kochstelle hin und ergriff den kleinen Eisenkessel. Chen Hu füllte ihn mit Wasser aus dem Eimer und setzte den Kessel auf das Kohlenbecken. Mit überkreuzten Beinen ließ sich der alte Mann nieder, schloss die Augen und wartete. Als er das Blubbern des langsam heiß werdenden Wassers hörte, öffnete er einen Beutel, der an seinem Gürtel hing. Daraus nahm er neun grüne Blätter - er zählte sie genau ab - und ließ sie ins dampfende Wasser fallen. Wenige Augenblicke später stieg ihm der Duft in die Nase, woraufhin er den Kessel von den Kohlen wegnahm. Er goss sich gerade etwas von dem frisch aufgebrühten Getränk in eine winzige Porzellantasse, als sich der Raum verdunkelte.
    Chen Hu drehte sich um und erblickte eine hochgewachsene Gestalt, die sich als Schattenriss im Eingang abzeichnete.
    Allein schon die ungelenke Körperhaltung des Mannes ließ für Chen Hu keinen Zweifel daran, dass der Besucher ein Ausländer war. Er seufzte, goss den Tee in den Kessel zurück und stand auf. Seine Hände schob er in die weiten Ärmel seines Gewandes und ging langsam schlurfend zur Tür - eine Fortbewegungsweise, mit der man Demut zum Ausdruck brachte.
    »Das Glück möge Euch hold sein«, sagte er in seinem besten Portugiesisch. »Bitte kommt herein.« Er verbeugte sich tief vor seinem Besucher.
    »Möge das Glück Euch alle Tage folgen«, erwiderte der Fremde mit einer unverwechselbaren und zugleich vertrauten Stimme. Er trat zurück, sodass das Sonnenlicht auf ihn fiel, und begann, seine Schuhe loszuschnallen.
    »Masta Attu!«, rief der chinesische Kunsthandwerker. »Ihr seid es!«
    »Ich bin zurückgekehrt, Chen Hu«, erklärte der dunkelhaarige Gentleman mit einer ehrerbietigen Verbeugung. Dann fragte er auf Englisch, das er problemlos beherrschte: »Erzählt mir, alter Freund, wie es dem Hause Wu ergeht?«
    »Alles ist in bester Ordnung, Masta Attu«, antwortete Chen Hu mit einem breiten Grinsen, das die vom Betelkauen verfärbten Zähne enthüllte. Er konnte sich auf Englisch nur wenig schlechter als auf Portugiesisch unterhalten; die Kenntnis beider Sprachen hatte er durch die häufige Gesellschaft mit Seeleuten erworben. »Wie könnte es anders sein - jetzt, da Ihr hier seid?«
    »Auch ich kann nur sagen: Es ist gut, Euch zu sehen, Chen Hu«, erwiderte Arthur Flinders-Petrie, der ebenfalls breit und überschwänglich grinste. »Ihr seid ein wahres Abbild der Gesundheit. Eure Tochter, Xian Li - wie geht es ihr? Gut, hoffe ich?«
    »Ihr ging es niemals besser, Masta Attu. Es wird ihr große Freude bereiten, zu erfahren, dass Ihr zurückgekehrt seid. Ich werde augenblicklich nach ihr schicken lassen.«
    »Es wäre natürlich wunderbar, sie zu sehen«, erklärte der Engländer. »Doch später vielleicht - nachdem wir die geschäftlichen Angelegenheiten getätigt haben.«
    »Es soll so sein, wie Ihr es wünscht.« Der chinesische Händler verbeugte sich.
    »Dann lasst uns damit beginnen!« Arthur sprach viel zu laut für den kleinen Laden. »Ich brenne darauf, dass dieser neue Entwurf sicher verborgen wird.«
    »Bitte hierherkommen.« Chen Hu führte seinen Besucher zu einem niedrigen Sofa neben einem großen Fenster, das von einem Schutzschirm aus Bambus verdeckt wurde. »Bitte nehmt Platz, Sir, und erlaubt mir, Euch eine Tasse chá zu bringen.«
    »Ich danke Euch, mein Freund.« Arthur setzte sich auf das mit Seide überzogene Sofa und begann, sein Hemd aufzuschnüren. »Dort draußen ist der reinste Backofen. Vierzehn Tage lang sind wir in unseren eigenen Säften geschmort worden. Kaum ein Lüftchen, das die Segel bewegt hätte. Diese letzten beiden

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