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Die Zeitwanderer

Die Zeitwanderer

Titel: Die Zeitwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Tage war das Wasser wie tot.«
    »Ach, ja«, seufzte Chen Hu und schenkte den hellgelben Aufguss ein. »Es sind die Hundstage. Sehr heiß überall. Sehr schlecht fürs Geschäft. Niemand verkauft, weil niemand kauft. Sehr schlecht.« Mit einer Verbeugung überreichte er die kleine Porzellantasse und wandte sich danach ab, um sich selbst Tee einzugießen.
    Arthur hob seine Tasse. »Auf Eure Gesundheit, Chen Hu!« Behutsam kostete er von der heißen Flüssigkeit. »Ah! Wie ich den chá vermisst habe.« Er schmatzte mit den Lippen - das allgemein anerkannte Zeichen für Zufriedenheit. »Ich danke Euch, mein Freund.«
    »Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte der Händler, während er leicht den Kopf neigte.
    Eine Weile lang tranken sie schweigend; es galt als unhöflich, sich gegenseitig beim Genuss des chá zu stören. Als die Förmlichkeiten abgeschlossen und die Tassen beiseitegestellt waren, dankte Arthur seinem Gastgeber und sagte: »Wenn Ihr keine dringenden Angelegenheiten habt, würde ich gerne sogleich beginnen.«
    »Euer Diener wartet auf Euren Befehl, Sir.«
    Arthur, der ein ziemlich großer Mann mit athletischem Körperbau war, stand auf und befreite sich von seinem Hemd. Als er das weite Kleidungsstück über den Kopf zog, enthüllte er einen muskelbepackten Oberkörper, der mit Hunderten von geschickt eingestochenen Zeichnungen bedeckt war. Einige von ihnen waren nicht größer als eine Walnuss, andere so groß wie eine Faust. Die meisten besaßen jedoch die Größe einer Venusmuschel; und alle waren sorgfältig in einem tiefen Indigoblau eintätowiert worden.
    »Das Werk eines wahren Künstlers«, merkte Arthur mit einem Lächeln an. Er fuhr mit der Hand über einen breiten Streifen von Tattoos. »Jedes einzelne ein Miniatur-Meisterwerk.«
    »Ich bin geehrt, Sir.«
    »Nun denn!« Arthur schlug leicht auf seinen Bauch. »Ich habe etwas Neues, das Eure ganze Geschicklichkeit erfordern wird, Chen Hu. Ich glaube, es ist das Wichtigste von allen.«
    »Sie sind alle wichtig für mich, Sir.«
    »Natürlich.« Arthur sah an seinem langen, nackten Oberkörper herab. »Ich habe hier genau den richtigen Platz dafür.« Er berührte die Stelle direkt unterhalb seines Brustbeins. »Im Zentrum. Umgeben von all den anderen.«
    Chen Hu beugte sich nah heran, um die vorgeschlagene Stelle eingehend zu prüfen. »Wie groß soll die Zeichnung werden, Sir?«
    »Oh! Nun ja, ich habe eine Darstellung davon angefertigt.« Er griff in die Tasche seiner Kniehose und brachte ein kleines, zerknittertes Pergamentstück zum Vorschein. Dann setzte er sich hin und glättete den Fetzen auf seinem Knie. »Hier ist sie«, sagte er mit leiser werdender Stimme - ob aus gewohnter Furcht, belauscht zu werden, oder aus Ehrfurcht vor dem Symbol, war nicht auszumachen. »Ich habe es endlich gefunden, mein Freund: Es ist etwas ganz Besonderes; ich halte es für den größten Schatz, den Menschen jemals entdeckt haben.«
    Der chinesische Kunsthandwerker starrte gebannt auf die wirbelförmig angeordneten Linien, Halbkreise, Punkte, Dreiecke und merkwürdigen geometrischen Symbole. Er musterte sie sorgfältig und zog dabei fortwährend an seinem langen Schnurrbart. »Ein Schatz, Sir? Hat dieser einen Namen?«
    »Der Quell der Seelen«, erklärte Arthur Flinders-Petrie ehrfurchtsvoll.
    »Ach, so ...«, sinnierte der Chinese. »Quell der Seelen.«
    Für Chen Hu, der die Bedeutung von keiner der seltsamen Zeichnungen verstand, die er im Verlaufe der Jahre für seinen Freund angefertigt hatte, sah die neue Darstellung genauso aus wie all die anderen: streng kontrollierte Anordnungen von abstrakten Chiffren. Sie sind, überlegte er, auf ihre eigene Weise so elegant wie die Pinyin-Schrift, doch bar jeglicher verständlicher Bedeutung.
    Andererseits waren alle ausländischen Teufel verrückt. Das wusste jeder. Und auf jeden Fall geziemte es sich nicht für das Haus Wu, die Wünsche seiner Kunden infrage zu stellen.
    »Sehr schön, Sir«, versicherte Chen Hu und untersuchte die nackte Hautstelle auf Arthurs Brust. »Darf ich?«
    Nach einem Kopfnicken des Kunden nahm der Künstler den Pergamentfetzen und hielt ihn vor die angegebene Stelle, um zu sehen, wie die Darstellung dort Platz finden würde. Wenn er sie ein wenig drehte, würde die Zeichnung perfekt dorthin passen, befand er. Wie stets hatte Arthur hart an seiner Skizze gearbeitet und sie präzise entworfen - anders als die Masse grölender, verdummter Seemänner, die in den nächtlichen

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