Die Zeitwanderer
mit den angeforderten Gütern. Dabei musste er feststellen, dass die Bäckerei sich in etwas verwandelt hatte, das eher dem Hauptraum einer Gaststätte entsprach - allerdings einer viel helleren, saubereren und gemütlicheren Schenke, als er jemals gesehen hatte. Zudem gab es einen großen Ofen, eine breite Theke sowie viel Licht im Raum.
»Was ist los?«, fragte er. »Wo ist die Bäckerei?«
»Keine Angst!«, erwiderte Mina und begann atemlos mit einem Vortrag über ihr neues ehrgeiziges Projekt, das erste Kaffeehaus in Prag zu gründen. Die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor.
»Kaffeehaus?« Arnostovi war verblüfft. »Was ist das - ein Kaffeehaus?«
Anstatt es ihm zu erklären, zwitscherte sie: »Kommt in einer Woche zurück, und ich werde Euch freudig eine der ersten Kostproben unserer neuen Kreation servieren.«
Er war ebenso fasziniert wie beeindruckt und versprach, genau das zu tun.
Als Engelbert mit den kostbaren Bohnen zurückkehrte, hatte Wilhelmina die kleine Seitenstraßen-Bäckerei in ein gemütliches Zimmer mit Tischen und Stühlen, Lampen und Kerzen verwandelt. Es strahlte eine intime Atmosphäre aus - nicht zuletzt auch dank des warmen Dufts von Backwerk.
»Das ist wunderbar!«, rief Etzel aus. »Aber was ist das?«
»Das ist ein Kaffeehaus«, erklärte sie ihm.
Er blickte anerkennend in die Runde. »So sieht also ein Kaffeehaus aus?«
»Nun, ich nehme an, dass so ein Kaffeehaus in Prag aussieht.« Sie begutachtete ihre Arbeit mit einem kritischen Stirnrunzeln. »Warum fragst du? Wie sehen sie denn in Wien aus?«
»Aber Wilhelmina, in Wien gibt es so etwas überhaupt nicht«, antwortete er. Anschließend erzählte er ihr, wie er erfolglos die ganze Stadt durchsucht und dann - als er schon an dem Punkt angelangt war, alles aufzugeben - einen Getreidekaufmann mit den unerwünschten Bohnen getroffen hatte. »Die Vorsehung«, verkündete er in feierlichem Ton, »ist auf unserer Seite. Daran glaube ich fest.«
»Und ich auch«, pflichtete Mina bei. »Wir werden das erste Kaffeehaus in ganz Europa haben! Zumindest das erste in Prag. So oder so - wir schreiben Geschichte!« Sie schritt zu den zwei großen Säcken, die Etzel zur Türschwelle getragen hatte. »Also, was haben wir hier - schwarze oder grüne Bohnen?«
»Ich habe grüne gekauft«, erwiderte er und fuhr fort, zu erklären, wie selig er sich fühlte, den richtigen Mann mit der richtigen Ware getroffen zu haben. »Grün ist gut, nicht wahr?«
»Grün ist sehr gut. Sogar besser als schwarz, wie ich nun bei genauerem Nachdenken zugeben muss. Die Bohnen müssen natürlich geröstet werden. Dafür können wir den Backofen nehmen. Alles, was wir jetzt noch brauchen, ist etwas, womit man sie mahlen kann. Was glaubst du - können wir irgendwo eine robuste Handmühle bekommen? Vielleicht eine von der Art, die man für harte Körner benutzt?«
»Ja, ich kenne diese Art von Mühlen, die du meinst«, antwortete er, was Minas Laune erheblich steigerte, denn sie war sich überhaupt nicht sicher gewesen, was sie selbst eigentlich genau meinte. »Wenn wir keine finden können, werde ich selbst eine anfertigen«, erklärte Etzel. »Das ist überhaupt nicht schwer.«
»Dann überlasse ich diese Aufgabe dir.« Sie streckte die Hand nach einem der beiden Säcke aus und legte die Finger um die Kordel, mit der man ihn zugebunden hatte. »Ich werde gleich mit dem Rösten anfangen.« Sie versuchte, den Sack anzuheben, und zerrte mit größter Anstrengung an der schweren Last.
»Nein, nein, ich mach das«, sagte Etzel und trat rasch an ihre Seite. Er lächelte.
Es war schön, zu sehen, wie das Leuchten in seinen Augen zurückkehrte - nach so vielen Tagen der Trübsal und Verzweiflung.
»Das ist keine Arbeit für eine Frau«, betonte er.
Sie dankte ihm und schritt hinter ihm her, als er sich die Last mit Leichtigkeit auf die Schulter hievte und in die Küche beförderte. Dort schnürte er den Sack auf, breitete das Leinen oben auseinander und rollte es vorsichtig ein wenig nach unten.
Mina starrte auf die gewaltige Menge blassgrüner Bohnen. »Guck dir all die kleinen Lieblinge an«, murmelte sie. »Jetzt werden wir sie in schwarzes Gold verwandeln.«
SIEBZEHNTES KAPITEL
D as Innere von Etzels Kaffeehaus war erfüllt von dem geradezu berauschenden Duft der schwarzen Bohnen, die im Holzofen geröstet wurden. Das verführerische Aroma wehte nach draußen auf die Straße und zeigte die Ankunft einer neuen Sensation im alten Prag an. Schon sehr bald
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