Die Zeitwanderer
würden die Bewohner der Stadt von der letzten Modeerscheinung hören, die plötzlich in ihrer Metropole aufgekommen war: dem geselligen Trinken eines heißen schwarzen, etwas bitteren Aufgusses, der in kleinen Zinntassen serviert wurde. Der Ort dieser neuen Mode war ein kleiner, anheimelnder Laden, der ein Stück weit vom großen Marktplatz entfernt in einer Seitengasse stand.
Am Tag vor der Geschäftseröffnung testeten die beiden kühnen Unternehmer ihre Gerätschaft und begutachteten das Produkt. Nachdem Mina eine Anzahl von Bohnen liebevoll bis zur Perfektion geröstet hatte, mahlte Engelbert die glänzenden schwarzen Proben zu feinem körnigem Pulver. Hierfür benutzte er die Maschine, die er aus Teilen einer alten handbetriebenen Gerstenmühle hergestellt hatte. Danach setzte Mina einen Wasserkessel auf den Herd, um ihn zu erhitzen, und erwärmte zwei Tassen. Sie ermittelte die genaue Menge an benötigtem Kaffeepulver, gab sie in ein kleines, mit Musselin ausgekleidetes Sieb und stellte dieses auf eine angewärmte irdene Kanne. Anschließend goss sie langsam heißes Wasser durch das Sieb.
»Für diesen Vorgang werden wir uns eine bessere Methode ausdenken müssen«, merkte Mina an, während sie darauf wartete, dass das Wasser durch das Kaffeemehl sickerte. »Sonst werden wir uns die Hacken ablaufen, wenn wir versuchen, den Bestellungen unserer Kunden nachzukommen.«
Ein Lächeln ging über Etzels Gesicht.
Sie sah, dass er strahlte, und fragte: »Was ist?«
»Ich mache mir keine Sorgen wegen unserer Hacken.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin nur froh, dass du glaubst, es werden einige Kunden kommen.«
»Oh, keine Angst, es wird eine große Nachfrage geben«, versicherte sie ihm. »Sobald sich die Nachricht verbreitet und die Leute die Möglichkeit haben, dies hier zu kosten, werden wir nicht mehr in der Lage sein, uns die Kunden vom Leibe zu halten.«
Als der Kaffee fertig war, goss sie ihn in die Zinntassen und reichte eine davon Etzel. »Auf unseren glorreichen Erfolg!«, verkündete sie und streckte Engelbert ihre Tasse entgegen, damit er mit ihr anstoßen konnte.
»Auf unseren Erfolg!«, rief er erfreut. »Auf dass er Gott gefallen möge.«
»Auf dass er Gott gefallen möge«, wiederholte Mina leise - beinahe so, als ob sie zu sich selbst spräche. Und etwas in ihrem Inneren war tief bewegt bei diesem Gedanken.
Gemeinsam kosteten sie den frisch aufgebrühten Kaffee. Obwohl Engelbert die Nase rümpfte und die Lippen kräuselte beim ersten winzigen Schluck von der dampfenden schwarzen, etwas öligen Flüssigkeit, erklärte Wilhelmina, es sei ein vollkommener Triumph. »Für so etwas würde ich gut und gerne einen Guldiner oder zwei bezahlen«, verkündete sie.
»Es ist sehr bitter«, merkte Etzel skeptisch an.
»Bitter ist besser«, versicherte Mina ihm. »Etwas Bitteres verlangt nach etwas Süßem, um es auszugleichen; und wir haben süßen Kuchen und andere süße Backwaren, die wir mit dem Getränk servieren werden.«
»Du hast recht«, stimmte Etzel ihr zu. »Das wird köstlich schmecken.«
»Genau.« Verzaubert durch den glücklichen Moment, lehnte sich Mina an den Bäcker und drückt ihm einen dicken Kuss auf die runde rosarote Wange. »Das bringt Glück«, meinte sie und lachte, als sie seine vor Überraschung weit aufgerissenen Augen sah.
Am nächsten Morgen waren beide noch vor Sonnenaufgang emsig damit beschäftigt, ihre Gerätschaft und das Zubehör vorzubereiten. Als alles fertig war, wurde Etzel von Mina fortgeschickt, um sich der Dienste eines sogenannten Ausrufers zu versichern. Dessen Aufgabe bestand darin, auf dem großen Marktplatz alle darauf aufmerksam zu machen, dass in ihrer Mitte ein neues Geschäft eröffnet worden war, welches ein aufregendes, exotisches Getränk in ihre Stadt brachte. Mit ihrem ausgeprägten Marketing-Verstand nahm Mina auch das Problem in Angriff, dass eine sehr konservative Bevölkerung einen natürlichen Widerstand besaß, eine außergewöhnliche, neuartige Ware auszuprobieren. Diese ablehnende Einstellung wollte sie überwinden, indem sie ein Tablett mit Tassen und einer Kanne vorbereitete und Etzel damit nach draußen schickte, um den Leuten kostenlose Proben zu offerieren. Und jedem, der ihr Getränk versuchte, wurde eine kleine Wertmarke aus Holz gegeben, mit der man im Laden ein weitere Tasse Kaffee bekam.
Diese Marketingstrategie erwies sich als ausgesprochen schlau und erfolgreich, denn sie lenkte einen stetigen Strom von Kunden ins
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