Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
Banküberfalls am Vormittag und des Selbstmords der Täter am Mittag in einem Zusammenhang stehen mit den Ermittlungen wegen Brandstiftung, die gerade in Zwickau beginnen.
Die Eisenacher Kriminalbeamten holen als Erstes zahlreiche Waffen aus dem Wohnmobil. Als Ermittler die Česká-Pistole im Wohnmobil finden, wird ihnen schnell klar, dass die Toten möglicherweise in einem Zusammenhang mit der bis dahin «Döner-Morde» genannten Killerserie stehen. Für die Morde nutzten die Täter stets ein ähnliches Česká-Modell.
Dann bergen sie die ersten Leichenteile, die an verschiedenen Stellen im Innenraum verteilt sind. Gegen 18 Uhr tragen sie einen Körper mit einem zertrümmerten Schädel des ersten Toten aus dem Caravan heraus, wenig später einen zweiten. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt werden am Abend in die Gerichtsmedizin des Universitätsklinikums Jena gebracht. Noch in der Nacht beginnen zwei Obduzenten mit den ersten Identifizierungsmaßnahmen. Es ist ein großer Zufall, aber es klingt wie Schicksal: Vor 13 Jahren, 9 Monaten und 7 Tagen hatten Böhnhardt und Mundlos Jena verlassen. Jetzt sollte ihre letzte Reise sie als Sterbefallvorgang TH1380-014717-11/8 und TH1380-014715-11/0 wieder zurück in ihre Geburtsstadt bringen.
Beate Zschäpe betritt an diesem Abend des 4. November die beigegekachelte Halle des Hauptbahnhofs Zwickau. Kameras der Bundespolizei sind auf sie gerichtet, als sie durch die Bahnhofshalle läuft. Nachdem André E. sie hier abgesetzt hat, ist sie jetzt wieder auf sich allein gestellt. Nach ihrer Festnahme wird sie zu einem Polizisten sagen, die beiden Männer seien ihre Familie gewesen.
Sie muss davon ausgehen, dass es eine Frage der Zeit ist, bis ihr Helfer E. von der Polizei gefunden und verhaftet wird. Auch die anderen Unterstützer werden bestimmt bald von der Polizei abgeholt. Wem kann sie sich jetzt noch offenbaren?
Zu den meisten Freunden, zu ihrer Mutter und der geliebten Oma hatte sie das letzte Mal vor über einem Jahrzehnt Kontakt. In der Szene glauben viele, sie lebe im Ausland oder sei gar auf Kreta gestorben. Sie läuft an den massiven Skulpturen des Dresdner Bildhauers Georg Türke vorbei, steigt über die Treppe zu den Bahnsteigen. Die braunen Steinplastiken aus dem Jahr 1936 stellen einen knienden Autoschlosser und einen Bergmann dar und sind die inoffiziellen Wahrzeichen Zwickaus, das lange eine Auto- und Bergbaustadt war. Vor allem strahlen die überlebensgroßen Figuren aber eine intensive Ruhe aus.
Sollte die Zelle einmal auffliegen, so hatte Zschäpe Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt versprochen, würde sie noch ihre zwei letzten Wünsche erfüllen. Bevor die Polizei sie verhaften kann, muss sie diese beiden Aufträge unbedingt erledigt haben.
Anstatt sich vor einen Zug zu werfen, steigt sie in einen hinein. Wie so oft in den letzten Jahren will sie ihre Stabilität im Schalensitz eines Zuges der Deutschen Bahn wiederfinden.
Die nächste Bahn fährt nach Chemnitz.
Sie hat kein großes Gepäck dabei, als sie in einen roten Regionalexpress einsteigt. Sie trägt eine dunkelbraune Jacke, darunter eine schwarze Fleecejacke, einen schwarzen Pullover, eine schwarze Funktionshose «Yessica», an den Füßen rotbraune Ledersneakers, auf der Nase eine randlose Brille. Ihren gesamten materiellen Besitz führt sie in zwei Plastiktüten und einer Handtasche mit Leopardenmuster mit sich: Pfefferspray, Schmerzmittel «Ibuprofen», Deospray, Feuerzeuge, Tampons, Kaugummis, Zigaretten der Billigmarke «Power Gold» sowie Papiertaschentücher.
Außerdem ist ihr Gepäck noch mit einigen frankierten und adressierten Briefumschlägen beschwert, die sie bald loswerden muss. Das erste Ziel von Beate Zschäpes letzter Reise lautet Chemnitz. Am Morgen des nächsten Tages wird sie gegen 7 Uhr den Hörer einer öffentlichen Telefonsäule abnehmen.
Die genauen Abläufe zwischen 15:34 Uhr und dem Morgen des nächsten Tages sind nicht bekannt.
50
Der Anruf
Am nächsten Tag um 7:54 Uhr klingelt unerwartet das Telefon in der Wohnung von Familie Mundlos in Jena. Der Anruf kommt von einem Chemnitzer Fernsprecher. Frau Mundlos, die Mutter von Uwe, hebt den Hörer ab und hört die Stimme einer jungen Frau. Der Anruf wird nur 3 Minuten und 53 Sekunden dauern:
Mutter: «Mundlos.»
Zschäpe: «Hier ist Beate von Uwe.»
Mutter: …
Sie hat diese Stimme lange nicht gehört, trotzdem kommt sie ihr seltsam vertraut vor. Nur klingt sie jetzt verändert, wesentlich fraulicher und auch
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