Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
mit der DDR auf.
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Deutschland brennt
Im Jahr 1990 rollt eine Welle rassistischer Gewalt über die DDR und die Bundesrepublik, wie es sie seit Kriegsende in Deutschland nicht gegeben hat. Zwölf Menschen werden zwischen Januar 1990 und September 1991 von Neonazis ermordet.
Im Osten gehören die Überfälle beinahe zum Alltag. Im sächsischen Hoyerswerda verabreden sich deutsche Jugendliche im Mai 1990 zum «Negerklatschen». In der tageszeitung (taz) heißt es: «Auf dem Rummelplatz verprügeln sie einen jungen Mosambikaner, der blutüberströmt in die Klinik eingeliefert werden muss. Daraufhin bewaffnen sich fünfzig Mosambikaner mit Stöcken und ziehen zum Rummelplatz, wo sie von hundertfünfzig bis zweihundert Deutschen verprügelt werden. Rund tausendfünfhundert Schaulustige feuern die Deutschen zum Teil begeistert an.»
Aber auch im Westen überfallen Skinheads Ausländer und Linke: Im März 1990 verwüsten Skinheads in Essen, bewaffnet mit Eisenketten und Äxten, ein Ausländerwohnheim. Im April zünden Rechtsradikale ein Asylbewerberheim in Bornheim im Rheinland an.
Die lokale Presse in Jena, die Thüringische Landeszeitung (TLZ) und die nun umbenannte Ostthüringer Zeitung (OTZ), berichtet regelmäßig über Anschläge. Am 20. April 1990, an Hitlers Geburtstag, wollen etwa zwanzig junge Männer ein linkes Jugendzentrum in der Karl-Liebknecht-Straße in Jena-Ost angreifen. Sie haben eine Reichskriegsflagge dabei.
Im Juli überfallen Jugendliche auf dem Allende-Platz in Jena einen Studenten aus Äthiopien und brechen ihm die Schulter, sodass er im Krankenhaus stationär behandelt werden muss.
Ein paar Tage später beschreibt ein Student aus Nicaragua in einem Artikel in der Thüringischen Landeszeitung , was er in Jena erlebt hat. In der Kneipe «Zur Noll» riefen ihm andere Gäste «Ausländer raus!» hinterher. Vor der «Weintanne» warfen Jugendliche mit Steinen nach ihm und einem Freund, sein Freund habe danach zwei Tage nicht laufen können.
Immer wieder wird in der Lokalpresse von randalierenden Skinheads in Jena berichtet. Ziele ihrer Angriffe: linke Jugendliche, Ausländer und manchmal auch die Polizei.
Am Tag der Wiedervereinigung, am 3. Oktober 1990, randalieren Neonazis in ganz Thüringen. In Erfurt ziehen sie kurz nach Mitternacht zum Autonomen Jugendzentrum nahe der Krämerbrücke. Mit Steinen und Flaschen werfen sie auf linke Jugendliche, die sich dort verschanzt haben. Bei dem Angriff wird das Nachbarhaus in Brand gesteckt.
In Weimar greifen mehr als hundert Neonazis ein von Linken besetztes Haus mit Brandflaschen, Steinen und Gasdruckpistolen an. In einem Bericht der TLZ heißt es: «Die Angreifer, die sich öffentlich zum Rechtsradikalismus bekennen, rufen Parolen gegen Ausländer, Kommunisten und weitere Andersdenkende.»
In Jena überfallen rechtsradikale Jugendliche das alternative Jugendzentrum in der Karl-Liebknecht-Straße und verwüsten es völlig.
Im nächsten Monat klettert ein Jugendlicher bei einem Auftritt von Gregor Gysi im Stadtzentrum von Jena die Pergola des Rathausgartens hoch und zeigt den Hitler-Gruß. Dreißig andere rufen: «Judenschwein raus!»
Zur gleichen Zeit besetzen ostdeutsche Neonazis in Berlin-Lichtenberg zwei Häuser in der Weitlingstraße 120 und 122; sie wollen aus dem Weitlingkiez eine rechte Zone machen. Es ist die erste Hausbesetzung von Rechtsextremen, das erste braune Hausprojekt.
Die Führungsfiguren der Besetzung sind schon in den achtziger Jahren Skinheads gewesen, einige haben sich am Neonaziüberfall auf ein Punkkonzert in der Ostberliner Zionskirche 1987 beteiligt oder sind der Polizei aufgefallen, weil sie unerlaubt Waffen und Sprengstoff besaßen.
Aus den besetzten Häusern heraus planen die Skinheads ab 1990 Überfälle auf alternative Wohnprojekte und Wohnungen von ausländischen Vertragsarbeitern. Die Gebäude dienen ihnen auch als Rückzugsort nach Straßenschlachten gegen linke Hausbesetzer. In der Weitlingstraße werden Waffen gehortet und terroristische Aktionen geplant. Regelmäßig greifen Bewohner der Häuser Ausländer, Linke und Polizisten an.
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Winzerclub
Der 18-jährige Uwe Mundlos trägt schwarz-rot-goldene Hosenträger, eine Bomberjacke, Seitenscheitel und eine hochgekrempelte Jeans über seinen Springerstiefeln. Auf jedem Foto, das der Reporter der Lokalzeitung schießt, lächelt Mundlos direkt in die Kamera. Ein wenig schüchtern wirkt er dabei.
«Wir haben einen Raum gesucht und haben einen Raum
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