Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
gekriegt», sagt Mundlos, als ihn der Journalist bei der Eröffnung des «Winzerclubs» im September 1991 anspricht.
In den Wochen zuvor hat er beim Streichen und Säubern des Raumes geholfen. Der Jugendtreff wird ein Jahr nach der Wiedervereinigung in einer Garagenanlage mitten zwischen den sechsgeschossigen Hochhäusern Jena-Lobedas eröffnet. Es ist der erste neue Treff in Jena, seitdem mit der Wende das Jugendclub-System der DDR zusammengebrochen ist. Jugendliche aus dem Viertel packen selbst mit an beim Umbau der alten FDJ-Baracke.
Am Ende der Renovierungsarbeiten schleppt Uwe Mundlos eigenhändig die Tische und Stühle in das neue Jugendzentrum. Er und seine feste Gruppe von Freunden wollten einen Ort haben, an dem sie sich abends treffen und ein Bier trinken können und ihre Ruhe vor den Eltern haben. Nicht wie bei ihm zu Hause, wo Vater und Mutter im Nachbarzimmer sitzen. «Wenn wir Probleme haben, können wir mit den Streetworkern quatschen, und wenn’s hart auf hart kommt, gehen wir einen trinken», sagt Mundlos dem Lokalreporter damals noch.
Das pädagogische Konzept des «Winzerclubs» ist die «Akzeptierende Jugendarbeit»: Junge Menschen sollen ihre Meinungen ausleben. Die Sozialarbeiter nehmen die Jugendlichen so an, wie sie sind, damit diese überhaupt in ihren Club kommen. Im «Winzerclub» heißt das, dass sich die Jugendlichen so anziehen und so reden dürfen wie Neonazis. Damit wird der Club schnell zum Kristallisationspunkt der Jenaer Neonaziszene. Fast alle, die später das Terrortrio unterstützen oder zu ihm gehören, treffen sich Anfang der neunziger Jahre regelmäßig im «Winzerclub»: Holger G., André K., Ralf Wohlleben und natürlich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Was gut gemeint ist, wird im Desaster enden.
Schon zu DDR-Zeiten ist Uwe Mundlos zum Skinhead geworden. Im Werkunterricht ritzt er Hakenkreuze in Metallplatten. Er schneidet seine Locken ab, kauft sich Springerstiefel und eine grüne Bomberjacke. Noch hört er AC/DC und keinen Rechtsrock.
Er kritisiert die DDR und die Sowjetunion, einfacher kann man die Lehrer damals nicht provozieren. «Gegen den Antifaschismus zu sein und die Rote Armee zu entmystifizieren, das waren die größten Tabubrüche, die es in der DDR gab», sagt ein Mitschüler, der neun Jahre dieselbe Klasse besucht hat wie Uwe Mundlos. «Mit 14 oder 15 fing das bei ihm an», erinnert sich Christiane Bednarek, eine ehemalige Mitschülerin. «Ab 1988 kam er mit kurzgeschorenen Haaren und Springerstiefeln in die Schule.» Dafür muss er sich vor dem FDJ-Sekretär der Schule rechtfertigen. Auf die Frage, ob er nun rechts geworden sei, gibt Mundlos die zynische Antwort: «Ich bin nicht rechts, ich bin links – in einem Springerstiefel sind ja rote Schnürsenkel drin.»
Das martialische Äußere und sein Interesse am Faschismus sind seine Art der Rebellion in der Pubertät. «Er hatte schon immer Nerven gehabt», sagt ein damaliger Klassenkamerad. «Uwe war beschlagen in seinen rechten Argumenten und rhetorisch sehr geschickt – und er wollte unbedingt provozieren.» Ein anderer Mitschüler erinnert sich daran, wie Uwe Mundlos einmal reagierte, als ein Lehrer ihn an die Tafel beorderte: Er blieb einfach stehen, die Arme vor dem Bauch verschränkt, wippte auf den Zehenspitzen und sagte nichts. «Er hat es trotz guter Leistungen genossen, die Lehrer zur Weißglut zu bringen», sagt Schulfreund Christian Wunder. «Er war immer in Anti-Haltung.»
Auch den Sportunterricht boykottiert Mundlos meist. Er steht am Rand der Turnhalle, und wenn der Lehrer ihn auffordert, mitzulaufen oder sich am Völkerballspiel zu beteiligen, dann verschränkt Mundlos wieder die Arme vor dem Körper, wippt mit den Füßen auf seinen Zehenspitzen und grinst, grinst, grinst. Mit «Du Arschloch!» schmeißt ihn der Sportlehrer deshalb einmal aus dem Unterricht.
Sein Vater sieht gar nicht gern, dass Uwe zu einem Skinhead wird. Noch vor kurzem ist er stolz auf seinen Jungen gewesen, weil der die Dinge auch mal hinterfragt, die ihm die sozialistischen Lehrer erzählen.
So erinnert sich der Vater, dass sein Sohn als 15-Jähriger einen Aufsatz über die sowjetische Besatzung nach dem Krieg geschrieben hat. Er erwähnte darin auch, wie Soldaten der Roten Armee 500 halbfertige Horch-Automobile aus Zwickau abtransportierten und in die Sowjetunion brachten. Das hatte er in einem Buch über die Sachsenring-Autowerke in Zwickau gelesen.
Der Sohn bekam Ärger. Auch Siegfried
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