Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)
ihn mehrere Menschen, die ihn damals kannten. «Etwas vergeistigt», sagt einer. Intelligent, bedacht, sagen andere. Mit schwarzem Humor, manche sagen: ein Zyniker.
Sein Vater hat ihm eine Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann bei Carl Zeiss organisiert. Schon während der Schulzeit hat Uwe Mundlos an der Universität einen Kurs besucht, um die Programmiersprache «Turbo Pascal» zu lernen. Er interessiert sich für Computer, programmiert in der Ausbildung Datenbanken. Und er hat Talent. Dann kommt die Wende, und er verliert seine Lehrstelle.
Viele Skinheads und Rechte in der DDR erleben den Zusammenbruch der antifaschistischen DDR als Realisierung eines langersehnten Ziels. Sie fühlen sich in ihrer Ideologie bestätigt. Die schnelle Umbenennung der Straßennamen von Widerstandskämpfern ist für sie eine große Genugtuung.
Aus Uwe Mundlos’ Provokationslust wird nach und nach eine feste ideologische Überzeugung. «Erst nach der Wende hat sich der letzte Knoten gelöst», sagt sein Klassenkamerad Rainer Pfeiffer, «erst dann ist er zum richtigen Nazi geworden.»
Ein anderer Freund von Uwe Mundlos erinnert sich an die ersten Monate nach der Wiedervereinigung: «Wo dann die ersten Dönerbuden hier aufgemacht haben und auf dem Markt dann die ganzen Türkenstände waren, das hat ihm damals schon nicht gepasst. Weil er meinte, wir haben auch eigenes Zeug, was wir verkaufen können. Da sollte man nicht noch irgendwelche Ausländer da hinstellen.»
Schnell tut er sich in seiner Clique mit der Ideologie hervor. Plumpe Parolen sind nicht seine Art. Lieber diskutiert er mit den Kumpels über den Zweiten Weltkrieg. «Er hat sich mit der politischen Einstellung anderer auseinandergesetzt und Gegenargumente gelten lassen», sagt der Freund von damals. Mundlos sucht Gegner auf Augenhöhe. Aber bald kommt keiner seiner Freunde mehr gegen ihn an. Er weiß einfach mehr als die anderen, kann besser reden. Das verschafft ihm Respekt in der Gruppe und macht ihn noch selbstbewusster. Es spornt ihn an, sich noch besser einzuarbeiten in die rechte Ideologie. Er liest viel, unter anderem Hitlers «Mein Kampf» und Bücher über den Zweiten Weltkrieg. Aus Uwe Mundlos wird ein gefestigter Neonazi.
Als im September 1991 der «Winzerclub» öffnet, kann der junge Neonazi Uwe Mundlos sich als Teil einer breiten Bewegung in Deutschland sehen.
Bis zum September greifen Skinheads, Neonazis und Rassisten Asylbewerberheime in ganz Deutschland an – von der Nordsee bis nach Bayern: Eisenhüttenstadt, Leisnig, Geisa, Dessau, Klötze, Zielitz, Berlin, Freising, Lübeck-Kückritz, Borna, Wittenberge, im Kreis Hettstedt, Zittau, Kerken-Neukerk, Rockolding, Soest, Schwerin, Stade, Pirna, Nauenhain, Bochum, Schwalbach, Herne, Bonn, Trollenhagen, Magdeburg, Görlitz, Blankenburg, Ueckermünde, Aschersleben, Freital und Freiburg.
Am 12. September 1991 schreibt CDU-Generalsekretär Volker Rühe einen Brief an alle Kreisverbände seiner Partei. Darin bittet er darum, «in den Kreisverbänden, in den Gemeinde- und Stadträten, den Kreistagen und in den Länderparlamenten die Asylpolitik zum Thema zu machen». Die CDU-Politiker sollten in den Parlamenten Fragen stellen wie: «Sind Asylbewerber in Hotels oder Pensionen untergebracht worden? Zu welchen Kosten?» Bei den Landtagswahlen in Bremen am 13. September 1991 bekommen rechtsradikale Parteien 7,7 Prozent der Wählerstimmen.
Es ist aber die sächsische Stadt Hoyerswerda, deren Name fortan für rechte Gewalt stehen wird. Dort gibt es, wie vielerorts in den neuen Bundesländern, noch ein Wohnheim für Vertragsarbeiter; die meisten Bewohner kommen aus Vietnam. Am 17. September 1991 sammeln sich Neonazis vor dem Plattenbau, sie werfen Steine und Molotowcocktails. Fünf Tage lang geht es so weiter, bis zum 23. September. Viele Nachbarn schauen zu, ohne einzugreifen, oder klatschen sogar Beifall. Schließlich evakuiert die Polizei das Heim.
Berauscht von ihrem Erfolg, greifen Neonazis am nächsten Tag ein Asylbewerberheim in Hoyerswerda an. Auch hier schauen bis zu 500 Anwohner zu, als Steine und Feuerbomben fliegen, sie klatschen. Ein Sondereinsatzkommando muss die Flüchtlinge am zweiten Tag der Angriffe in Sicherheit bringen.
Die Neonazis erklären Hoyerswerda danach zur «ersten ausländerfreien Stadt». Sie haben gewonnen, so sehen sie es, und überall in Deutschland fühlen sich Gleichgesinnte zu neuen Angriffen inspiriert. Viele Rechtsradikale haben das Gefühl, sie könnten mit
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