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Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition)

Titel: Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Fuchs , John Goetz
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Berlin-Spandau erhängt, in dem er 46 Jahre inhaftiert war. Seitdem gilt Hitlers Helfer in der rechten Szene als Märtyrer. Auch Uwe Mundlos verehrt ihn. Die Neonazis glauben an eine Verschwörungstheorie, der zufolge die britische Regierung den verwirrten 93-jährigen Mann im Gefängnis habe töten lassen.
    Besucher von Mundlos’ Studentenwohnheimzimmer in Ilmenau erinnern sich, dass auf seinem Schreibtisch ein handgezeichnetes Porträt von Heß stand – Uwe Mundlos verfeinert die Bleistiftzeichnung an manchen Abenden im Wohnheim.
    Jedes Jahr im August treffen sich seit Ende der achtziger Jahre deutsche Neonazis, um an den «Friedensflieger» Heß zu erinnern. Spätestens seit dem siebten Todestag ist auch Uwe Mundlos dabei. Zusammen mit drei weiteren Neonazis aus Jena wird er 1994 beim Aufmarsch in Chemnitz von der Polizei kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt ist Mundlos Panzergrenadier bei der Bundeswehr, er lügt den Polizisten an: «Ich feiere hier nur meinen Geburtstag mit Kumpels nach.» Ein Jahr später ist Mundlos beim Heß-Aufmarsch 1995 im niedersächsischen Heidestädtchen Schneverdingen dabei.
    1996 werden Uwe Mundlos, Beate Zschäpe, Holger G., André K., Ralf Wohlleben sowie der aktuelle NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel bei einem Heß-Gedenkmarsch im rheinland-pfälzischen Worms fotografiert. Uwe Mundlos trägt ein weißes Kapuzenshirt, und eine Locke hängt ihm vom ansonsten kahlen Schädel ins Gesicht. Beate Zschäpe hat an diesem heißen Sommertag Jeans und ein schwarzes «Lonsdale»-Sweatshirt an. Zusammen mit drei anderen Neonazis hält sie eine riesige schwarz-weiß-rote Reichsflagge. Auf einigen Bildern sieht man Uwe Mundlos lachen, während er auf der Straße sitzend einem Redner zuhört.
    Die Gedenkfeierlichkeiten zum zehnten Todestag von Rudolf Heß im Jahr darauf verlaufen anders als geplant. Die Neonaziszene ist 1997 bereits konspirativ organisiert, ein Verbot steht bei allen Demonstrationen immer im Raum. Also versuchen die braunen Kader spontan aufzulaufen. Die «Heß-Aktion» in diesem Jahr wird über ein «Nationales Infotelefon» geplant. Nazis aus ganz Deutschland kennen die geheime Telefonnummer. Eine zackig-militärisch klingende Stimme auf dem Anrufbeantworter sagt den Anrufern kurz vor dem Termin, dass sie sich am Vorabend des 17. August in Süddeutschland aufhalten sollen. Am Morgen der Demonstration will die Stimme auf dem Anrufbeantworter Interessenten den Ort des Marsches nennen.
    Eine Delegation von zehn Nazis um Mundlos, Böhnhardt, G. und den Jenaer Neonazikader André K. packt am Abend des 16. August 1997 in Jena ihre Schlafsäcke in drei Autos und fährt nach Bayern. Als es dunkel genug ist, biegen sie in ein Waldstück in Franken ein, rollen ihre Schlafsäcke aus und betten sich für einige kühle Stunden auf den Moosboden zwischen den Bäumen.
    Am nächsten Tag erfahren sie über das Infotelefon, dass sie nach Hessen kommen sollen. Ihr Ziel: Herleshausen. Hier wird dieses Jahr der bundesweite Gedenkmarsch stattfinden. Über Landstraßen fahren sie also wieder gen Norden. Irgendwann fällt Christian K., dem Sänger des rechten Liedermacherduos «Eichenlaub», ein orangefarbenes Baustellenfahrzeug am Straßenrand auf.
    Ein Bau-LKW mit Laderampe am Sonntag? Und hat nicht der eine Bauarbeiter eben hektisch ein Funkgerät bedient, als die Thüringer Nazis die Stelle passierten? Noch während Mundlos und die anderen aufgeregt über CB-Funk bereden, was sie machen sollen, werden sie von dem orangefarbenen Laster überholt. Mit einer Polizeikelle winken die Zivilpolizisten den Konvoi heraus auf den Seitenstreifen. Die Polizisten bringen die jungen Männer in ein Schulungsgebäude der hessischen Polizei. Hier warten bereits 30 Skinheads und Bomberjackenträger aus der gesamten Republik – auch sie haben es nicht bis nach Herleshausen geschafft.
    Nach Stunden ohne Essen und Trinken steht Uwe Mundlos plötzlich auf und ruft einem Polizisten zu: «Ich möchte bitte den Einsatzleiter sprechen!»
    Polizist: keine Reaktion
    Mundlos: «Wie heißt hier der Einsatzleiter?»
    Polizist: «Bugs Bunny.»
    Mundlos: «Ich will nicht wissen, wie er aussieht; ich will wissen, wie er heißt.»
    Daraufhin wird Uwe Mundlos von der Gruppe getrennt und allein in einen anderen Raum gesteckt. Einer, der damals dabei war, erinnert sich, dass alle beeindruckt waren von Mundlos’ Schlagfertigkeit und seinem Mut. Die Bewacher bekamen Angst, er könne die Gruppe gegen sie aufwiegeln.
    Erst als es

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